Mit welchem Argument wird seit Jahren das Recht auf freie
Meinungsäußerung eingeschränkt? Richtig, wie auch in der aktuellen
Diskussion, ist es Kinderpornographie. Seit mittlerweile fünfzehn
Jahren beobachte ich immer wieder das gleiche Schema.
Das erste Mal fiel es mir im Fall des ersten Remailers,
anon.penet.fi, auf. Der Betreiber Julf Helsingius stand damals auf der
Titelseite des Observer
und ihm wurde vorgeworfen für 90% der Kinderpornographie im Internet
verantwortlich zu sein (Ich habe den Fall detailliert in meinem Buch
“Anonym im Netz” beschrieben.). In den letzten Jahren kamen dann
Betreiber von Tor-Servern, der
Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss und
seit heute auch Besitzer von simplen Domainnamen hinzu.
Im aktuellen Fall bekam der Besitzer der Domain wikileaks.de Besuch von der
Polizei. Seine Wohnungen in Dresden und Jena wurden von mehreren
Beamten durchsucht und Computer beschlagnahmt. Was genau war das
Vergehen? Ich versuchte auf diese Frage heute bei der Polizei in Jena
sowie bei der Staatsanwaltschaft Dresden eine Antwort zu erhalten. Im
Protokoll
steht nur etwas von Verbreitung pornographischer Schriften
. Das
ist jedoch keineswegs ein Grund für eine Verletzung der Wohnung in der
vorliegenden Form. Bei der Staatsanwaltschaft Dresden wurde mir
lapidar mitgeteilt, dass die Pressestelle keine Sprechzeiten hat. Ich
solle es an einem anderen Tag probieren. Von Seiten der Polizei bekam
ich die Auskunft, die auch Heise
meldet. Die Aussage war in etwa, dass es auf seiner Webseite Links
zu kinderpornographischen Seiten gäbe und er sich somit der
Verbreitung schuldig mache. Der interessierte Leser wird hier
Parallelen zu den verschiedenen Sperren von wikipedia.de erkennen. Wie zuletzt
Lutz Heilmann
gibt es Leute, die einstweilige Verfügungen erwirken, in der Hoffnung
etwas gegen die Inhalte der Wikipedia zu tun. Wie auch im Fall von
Theodor Reppe hat die Domain jedoch nichts mit den Inhalten zu
tun. Insofern ist es äußerst fragwürdig, inwieweit die Durchsuchung
überhaupt berechtigt ist. Die diversen
Kommentare in der Blogosphäre gehen auf diese Problematik genauer
ein.
Doch inwieweit ist das ein Erfolg oder überhaupt ein sinnvoller
Ansatz im Kampf gegen Kinderpornographie? Es wird ohne Aussicht auf
irgendeinen Erfolg und aus meiner Sicht ohne begründeten Verdacht
gegen eine Zivilperson vorgegangen. Und zwar gegen jemanden, der sich
aktiv für freie Meinungsäußerung einsetzt:
Herr Reppe ist der Spender der Wikileaks.de Domain und
betreibt einen Mirror der US Congressional Research Service
Dokumentensammlung, ist allerdings ansonsten nicht operativ in
Wikileaks involviert. Herr Reppe ist ausserdem Betreiber eines der
populaersten deutschen Tor-Proxyservers
Kinderpornographie wird man hier eher nicht finden. Vielmehr
dient solch eine Aktion eher der Einschüchterung, wie bereits in den
oben angesprochenen Fällen der Betreiber von Tor-Servern. Außerdem
stellt sich mir die Frage nach der Rechtmäßigkeit der kompletten
Aktion. Das Bundesverfassungsgericht hat sich 2005 in einer Entscheidung
gegen das Vorgehen mit der Begründung “Gefahr im Verzug” ausgesprochen
bzw. sehr starke Schranken angelegt. Andererseits scheint es in
Dresden wiederum einen ordentlichen Beschluss einer Richterin gegeben
zu haben. Weiterhin ist der Pressemitteilung zu entnehmen, dass trotz
Nachfragen des Betroffenen keine Zeugen benannt wurden, dass es keine
Aufklärung gab etc. Ich hoffe, Theodor findet einen guten Anwalt, der
sich dieser Sachen annimmt und dies aufklärt.
Ein sinnvoller Ansatz ist aus meiner Sicht, direkt gegen diese
Seiten vorzugehen. Gerade anhand der publizierten Filterlisten
versuchte die Organisation Carechild, die Seiten
aus dem Netz zu entfernen. Sehr viele der Provider sperrten die
Zugänge der Kunden. Warum also gibt es keine speziellen Abteilungen
beim BKA, die dies veranlassen. Weiterhin stehen viele der Server in
Deutschland. Somit hätten die Ermittlungsbehörden direkten
Zugriff. Aber statt direkter Maßnahmen wirft man lieber wie oben
Nebelkerzen oder baut eine Zensurinfrastruktur
auf.
Speziell die Nachrichten des heutigen Tages hatten es in der
Beziehung wirklich in sich. Frau von der Leyen behauptet, die
Kinderpornographen würden Millionenbeträge verdienen. Danaben steht
die Aussage, dass es einen dramatischen Anstieg gäbe und der Artikel
im Spiegel spielt noch ein wenig mit Emotionen. Der Rechtsanwalt
Udo Vetter hat seine
Erfahrungen mit den Tätern beschrieben. Demnach ist es keinesfalls
so, dass viel Geld damit verdient wird. Netzpolitik kommt bei der Betrachtung
der Zahlen auf komplett andere Werte.
Ich habe das Gefühl, dass hier gezielt gegen Kritiker vorgegangen
wird und das die Bekämpfung der wirklichen Verbrechen keineswegs im
Vordergrund steht. Der Regierung scheint es um plakative Maßnahmen für
den Wahlkampf zu gehen. Die damit ermöglichten Zensurmaßnahmen werden
billigend in Kauf genommen. Momentan lächeln viele auf Länder wie
China oder Iran herab. Doch wir sind auf dem besten Weg in genau diese
Richtung. Daher sollten Umgehungstechniken wir Tor oder I2P gefördert werden, um auch in
Zukunft ein freies Internet zu haben.
Wie ihr für die Projekte spenden könnt, lest ihr auf den
entsprechenden Webseiten:
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