Assange
Im Blog von PME200 las ich einen sehr interessanten Beitrag zu Julian Assange. Er versucht, den Fall neutral und auf Basis der Fakten darzulegen. Ich habe mich mal hingesetzt und das ins Deutsche übersetzt. Viel Spass beim Lesen.
Es scheint eine Menge an Konfusion und Desinformationen über Julian Assange bei Twitter zu geben. Ich bin kein Experte, unten stehen acht wichtige Punkte:
Er wird wegen Vergewaltigung gesucht.
Die Leute sagen immer noch, dass er wegen »Sex ohne Kondom« gesucht wird. Ein Vergehen, welches angeblich nur in Schweden verfolgt wird. Der Europäische Haftbefehl (EuHB), welcher auf Assange ausgestellt wurde, spricht von vier Straftaten, für die er gesucht wird. Es gibt einen Fall von widerrechtlicher Nötigung, zwei Fälle von sexueller Belästigung und einen Fall von Vergewaltigung.Die Frage, ob dies Straftaten nach englischem Recht sind, wurde vom High Court of Justice untersucht (20111 EWHC 2849). Lies insbesondere die Abschnitte 78 bis 91 durch (speziell Nr. 91). Es ist sehr klar, dass die Straftat auch Vergewaltigung nach englischem Recht ist. Der Beitrag »Assange: would the rape allegation also be rape under English law?« von David Allen Green macht klar: »Englische Gerichte haben zweimal festgestellt, dass die relevante Anschuldigung auch eine Anschuldigung von Vergewaltigung nach englischem Recht ist.«
- Das ist ein persönlicher Rachefeldzug eines schwedischen Staatsanwalts
Falsch. Das Stockholmer Amtsgericht fertigte einen Haftbefehl gegen Assange aus, welchen er vor dem Svea hovrätt (etwa Oberlandesgericht) angefochten hat. Sie begutachteten den Fall im Detail und stellten fest, dass es hinreichenden Verdacht gibt. Daher ist der Haftbefehl gerechtfertigt. Seine Berufung wurde abgelehnt.- Er hatte nicht vollen Zugriff auf die Gerichte in seiner Heimat Falsch.
Er hatte eine Anhörung vor dem Richter (Senior District Judge) und dem Chief Magistrate des Magistrates’ Court der Stadt of Westminster. Es ordnete die Auslieferung nach Schweden für eine Vor-Ort-Untersuchung an (Er ist nur Subjekt eines Haftbefehls dort und wurde bisher nicht beschuldigt). Assange brachte diese Anordnung bis zum High Court. Es entschied gegen ihn. Er rief den obersten Gerichtshof des Vereinigten Königreichs an und dies entschied gegen ihn.- Er ist ein Flüchtling vor der Justiz.
Das ist er in der Tat. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegen ihn, überging er die Kaution und suchte Zuflucht in der Botschaft von Ecuador bevor seine Auslieferung starten sollte (28. Juni 2012). Daher hat er eine separate Straftat in dem Land begangen, für die er auch gesucht wird.Großbritannien hat gedroht, die ecuadorianische Botschaft zu stürmen.
Es ist strittig, ob Großbritannien eine »offene Drohung« gegen Ecuador ausgesprochen hat, so wie es der Außenminister behauptet. Der Text des Briefes, welcher von einem britischen Diplomat geliefert wurde, soll eine Erinnerung an Regelungen des britischen Außenministeriums sein. Andere empfinden es als Bedrohung. Bewerte es einfach selbst. Ich denke, es kann auf jeden Fall als unbeholfen angesehen werden und hat sicher auch Ecuador überzeugt, dass Asyl zu bewilligen. Als kleines Land war es wichtig herauszustellen, dass es »keine britische Kolonie« ist und sich nicht dem Druck beugt.Was der Brief nicht macht, ist vorzuschlagen, dass Großbritannien nationale oder internationale Gesetze brechen würde. Das würde in der Tat einen folgenschweren internationalen Konflikt heraufbeschwören. Es gibt eine Befugnis unter englischem Recht, die diplomatische Anerkennung eines Geländes zurückzuziehen. Das wurde nach der Ermordung von Yvonne Fletcher eingeführt. Wie Carl Gardner ausführt, muss jede solche Entscheidung in Übereinstimmung mit internationalen Gesetzen erfolgen. Die Umsetzung würde einen sehr schweren Präzedenzfall schaffen und für mich sieht das nach Säbelrasseln aus (Das hatte allerdings den gegenteiligen Effekt).
Was wäre, wenn der Special Air Service die Botschaft stürmt? Du schaust zu viele Filme. Ein hohler Gerichtsprozess betrieben von internationalen Anwälten ist wesentlich wahrscheinlicher als das Actionszenario.
Assange kann das Land nun verlassen.
Falsch. Er steckt in der Botschaft von Ecuador in London fest. In dem Moment, wo er die Botschaft verlässt, wird er anfällig für eine Verhaftung. Zwischen August und November 1989 suchten bis zu 20.000 Ostdeutsche Asyl in der Botschaft der BRD in Prag. Das stellte ein massives Problem dar. Sie mussten beherbergt und versorgt werden, denn sie durften das Gelände nicht verlassen, bevor eine diplomatische Lösung gefunden ward.Der einzig durchführbare Weg, um Assange aus der Botschaft zu bekommen und ihn auszufliegen, wäre die Anerkennung als ecuadorianischer Staatsbürger. Danach muss er zum Diploment gemacht werden. Das gibt ihm diplomatische Immunität. Der Vorgang ist höchst unwahrscheinlich, aber in der Assange-Affäre kann viel passieren.
[Nachtrag: Ich wurde darauf hingewiesen, dass das Vereinigte Königreich seine Ernennung anerkennen muss. Das ist natürlich noch viel unwahrscheinlicher.]
Er bekommt eine geheimes Verfahren und/oder wird in die USA ausgeliefert, wo ihn die Todesstrafe erwartet.
Ich bevorzuge es, mit Fakten zu handeln. Keines von beiden obigen Punkten deutet sich an. Schweden ist weit davon entfernt, eine minderwertige Demokratie zu sein. Es ist ein geschätztes EU-Mitglied und rangiert als in den Spitzenplätzen der Länder ohne Korruption (Schweden ist derzeit auf Platz 4 des Korruptionswahrnehmungsindex, Uk ist auf Platz 16, Deutschland auf 14). Wenn ich irgendwo vor Gericht gehen müsste und wüsste, dass ich unschuldig bin, so wäre ich über einen Prozess in einem skandinavischen Land glücklich.Das Vereinigte Königreich ist daran interessiert die gesetzlichen Verpflichtungen zur Auslieferung nach Schweden zu erfüllen. Nach meinem besten Wissen gibt es keine Anforderung, Assange in die USA auszuliefern, weder an UK noch an Schweden. Wohl wäre es weniger wahrscheinlich, dass dies von Schweden denn von UK aus passieren würde (Schau dir die vielen Kritiken an unserer nachsichtigen Auslieferungspolicy an die USA an.)
Schließlich ist es sowohl dem Vereinigten Königreich wie auch Schweden nach dem europäischen Menschenrechtskonvention verboten, jemanden auszuliefern, dem die Todesstrafe droht.
Der Mann und die Bewegung.
Es ist sehr wohl möglich, WikiLeaks und die Prinzipien für die es steht, zu verteidigen, währenddessen man Julian Assange als Individuum sieht, dass für seine Leistungen bewertet wird. Warum ist das so kontrovers oder schwer zu verstehen?Assange ist unschuldig bis er für die Straftaten, denen er beschuldigt wird, schuldig gesprochen wird. Aber es scheint fair zu sagen, dass er die Kaution verfallen ließ und dass er vor der Justiz auf der Flucht ist.
Der Punkt ist nicht so wie die Wahl der Seiten in einem Fußballspiel. Du kannst für WikiLeaks sein und scharf drauf sein, dass die gesetzlichen Regeln wirken. Das macht dich nicht zu Anti-Assange, einem Assange-Hasser oder ähnlichem. Ich habe keine Idee, ob er schuldig ist. Ich glaube, dass die möglichen Opfer ein Recht haben, ernst genommen zu werden. Sie haben den Schritt unternommen, zur Polizei zu gehen und dass die Geschichte einen Abschluss finden sollte.
Es ist dabei nicht relevant, wer der Mann ist, der für die Nachforschungen gesucht wird und welche andere großartigen Dinge er (nicht) gemacht haben könnte. Wenn du an den Gerichtsprozess und Gesetzesregeln glaubst, wird es zu argumentieren, dass er nicht nach Schweden für eine Befragung zurückkehren sollte (Nachdem er sich mit den Konsequenzen der fallengelassenen Kaution in England beschäftigt hat).