Rechtsgrundlage für die Aufzeichnung eines Podcasts
Podcasten ist immer noch in Mode. Viele setzen sich mit einem Mikro hin, zeichnen auf und veröffentlichen die Aufnahme. Das habe ich mit den Projekten Datenkanal
und Radio InSecurity
selbst einige Zeit lang getan. Doch wie sieht es eigentlich mit dem Datenschutz
aus?
Vor kurzem wurde ich mit dieser Frage konfrontiert, als ich eine umfangreiche Einwilligungserklärung für einen Podcast erhielt. Auch viele Ratgeber im Internet gehen von einer Einwilligung aus. Das fühlte sich komisch an, weshalb ich mich fragte, ob es nicht auch anders geht.
Ein Kernbestandteil von Podcasts ist die Aufzeichnung von Sprache. Zwei oder mehr Menschen reden miteinander. Das Ergebnis steht dann zum Download im Internet zur Verfügung.
Ist die DSGVO hier überhaupt relevant?
Bevor ich in die Details der DSGVO einsteige, stellt sich die Frage, ob sie überhaupt anzuwenden ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn personenbezogene Daten verarbeitet und in einem Dateisystem gespeichert werden (genauer siehe Art. 2 DSGVO). Die Aufnahmen werden in einem Dateisystem gespeichert. Das träfe also zu. Aber was ist mit personenbezogenen Daten?
Als personenbezogene Daten gelten Informationen, mit deren Hilfe es möglich ist, eine Person identifiziert werden kann (siehe Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Die Berliner Vergabekammer hat 2020 einen interessanten Beschluss (Az. VK -B1-10/19) gefällt. Demnach ist es allein anhand der Stimme nicht möglich, jemanden zu identifizieren. Somit ist die Stimme allein kein personenbezogenes Datum.
Auch reicht die fiktive Möglichkeit einer Identifizierung nicht aus, um ein Datum als personenbezogenes Datum zu qualifizieren, welches die Pflichten nach der DSGVO auslöst.
Im Ergebnis bedeutet das, dass die DSGVO im Fall einer alleinigen Sprachaufnahme gar nicht anwendbar ist und man sich dann auch keine Gedanken um Einwilligung etc. machen muss.
Aber dieses Szenario ist für die meisten Sendungen nicht realistisch. Denn es wird neben der Aufzeichnung auch die Person mit Namen und anderen Eigenschaften vorgestellt. Das heißt, die Sprachaufnahme ist dann mit den weiteren Angaben auf der Webseite, im Podcastclient etc. doch ein personenbezogenes Datum und damit muss die DSVGO angewandt werden. Im folgenden gehe ich auch davon aus.
Rechtsgrundlage?
Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt (rechtmäßig). Der Artikel 6 DSGVO kennt folgende sechs Bedingungen:
- Einwilligung
- Erfüllung von Verträgen
- Rechtliche Verpflichtung
- Schutz lebenswichtiger Interessen
- Aufgaben des öffentlichen Interesses
- Interessenabwägung
Die Bedingungen 3., 4. und 5. lassen sich gleich abräumen. Hier fehlt es an den entsprechenden Bedingungen.
Erfüllung von Verträgen
Für die Erfüllung von Vetrrägen dürfen alle personenbezogenen Daten verarbeitet werden, die dazu notwendig sind. Doch kommt ein Vertrag mit dem Gesprächspartner zustande? Die genaue Frage kann wohl nur ein Jurist sicher beantworten. Meine Lesart ist, dass je formaler
man sich auf das Gespräch einigt (Vergütung, Vereinbarung zu Rechten etc.), desto klarer ist es ein Vertrag. Bei einer losen Vereinbarung (Komm lass uns vors Mikro setzen und quatschen.
) scheint mir kein Vertrag vorzuliegen. Ein klarer Fall von: Es kommt darauf an.
Wenn jedoch ein Vertrag vorliegt, dürfen alle personenbezogenen Daten verarbeitet werden, um diesen zu erfüllen. Das ist natürlich insbesondere auch die Aufzeichnung und Veröffentlichung. Damit stellt das dann eine Rechtsgrundlage dar.
Interessenabwägung
Bei einer Interessenabwägung geht es darum, den Eingriff in die Grundrechte und -freiheiten gegen die Interessen des Verarbeiter abzuwägen. Wenn der Eingriff weniger schwer ist, so wäre die Verarbeitung auch erlaubt.
Der Europäische Gerichtshof hat für die Interessenabwägung ein Prüfschema entwickelt (u.a. C-597/19).
- Zunächst muss ein berechtigtes Interesse wahrgenomen werden.
- Die Verarbeitung muss zur Verwirklichung dieses Interesse erforderlich sein.
- Die Grundrechte und -freiheiten der Person dürfen nicht überwiegen.
Die Produktion und Veröffentlichung eines Podcasts kann auf jeden Fall als ein berechtigtes Interesse gelten. Die Aufnahme der Stimme ist dazu mit Sicherheit auch erforderlich. Damit wären die ersten beiden Punkte abgehakt. Bei der weiteren Einschätzung ist der Erwägungsgrund 47 hilfreich. Dort steht:
Auf jeden Fall wäre das Bestehen eines berechtigten Interesses besonders sorgfältig abzuwägen, wobei auch zu prüfen ist, ob eine betroffene Person zum Zeitpunkt der Erhebung der personenbezogenen Daten und angesichts der Umstände, unter denen sie erfolgt, vernünftigerweise absehen kann, dass möglicherweise eine Verarbeitung für diesen Zweck erfolgen wird.
Wenn ich also eine Person zum Podcastinterview einlade, sollte der klar sein, dass die Stimme aufgezeichnet wird und dass dies auch später veröffentlicht wird. Spätestens wenn ihr die explizit darauf hinweist, sollte das klar sein. Es lassen sich noch weitere Hinweise finden, die immer wieder und weiter darauf zeigen, dass bei einer freiwilligen Teilnahme an einer Podcast-Aufzeichnung die Grundrechte und -freiheiten eben nicht überwiegen.
Insofern gibt es ein überwiegendes berechtigtes Interesse an der Aufzeichnung und Ausstrahlung und damit auch eine passende Rechtsgrundlage. Ich schätze, dass diese Regelung für die meisten privaten Podcasts zutreffen sollte.
Einwilligung
Stellt euch vor, ihr wollt einen Podcast mit einem Kind oder Jugendlichen machen und über dessen Krankheit reden. Vielleicht reicht es auch schon, mit einer erwachsenen Person über deren Krankheit, Religion, sexuelle Orientierung etc. zu sprechen. In dem Fall handelt es sich um besonders schützenwerte Daten und die DSGVO legt hier höhere Maßstäbe an.
Der Artikel 9 DSGVO definiert einige Ausnahmen, wo dennoch eine Verarbeitung möglich ist. Aus meiner Sicht greift hier nur die erste Ausnahme, nämlich eine Einwilligung. Für solche und ähnlich gelagerte Fälle müsste die betreffende Person in die Aufzeichnung und Veröffentlichung einwilligen. Natürlich können sich Podcaster:innen auch in anderen Fällen für eine Einwilligung entscheiden. In dem oben beschriebenen Beispiel erscheint mir dies jedoch die einzig tragfähige Rechtsgrundlage zu sein.
Zusammenfassung
In den meisten Fällen dürfte eine Aufzeichnung und anschließende Veröffentlichung eines Podcasts mit Gästen durch eine Interessenabwägung gedeckt sein. Gerade im professionellen Kontext kann es sein, dass ein Vertrag mit den Gästen zustande kommt. Dann ist die Vertragserfüllung eine passende Rechtsgrundlage. In seltenen Fällen drängt sich eine Einwilligung als Rechtsgrundlage auf und in vermutlich noch weniger Fällen ist die Aufzeichnung kein personenbezogenes Datum.
Insgesamt liegt hier der Teufel im Detail und, wie so oft, heißt es auch hier: Es kommt darauf an.