Skip to content

Vortrag zu Wahlsystemen

In der zweiten Februarwoche hält Prof. Jörg Rothe in Jena einen Vortrag zum Thema Wahlkontrolle und Bestechung für die Wahlsysteme von Llull und Copeland. Aus der Ankündigung:

In Kontroll- und Bestechungsszenarien versucht ein externer Agent, den Ausgang einer Wahl zu beeinflussen. Bei konstruktiver Wahlkontrolle ist sein Ziel, einem favorisierten Kandidaten zum Sieg zu verhelfen, indem er Kandidaten oder Wähler hinzufügt, entfernt oder sie (in mehrstufigen Wahlabläufen) partitioniert. Bei destruktiver Wahlkontrolle versucht er, durch dieselben Aktionen den Sieg eines verhassten Kandidaten zu verhindern. Ein Wahlsystem, für das die Aufgabe eines solchen Agenten NP-hart ist, nennt man resistent gegen den entsprechenden Kontrolltyp. Ist seine Aufgabe dagegen in Polynomialzeit lösbar, heißt das System verletzbar.

Im Vortrag wird eine parametrisierte Version des Wahlsystems von Copeland vorgestellt, dessen Parameter eine rationale Zahl zwischen 0 und 1 ist, die festlegt, wie ein Remis zweier Kandidaten bei den paarweisen Vergleichen aller Kandidaten in Copeland-Wahlen zu bewerten ist. Für den Parameter 0.5 z.B. ergibt sich das klassische Copeland-Wahlsystem und für den Parameter 1 eines der Wahlsysteme, die der Philosoph und Theologe Ramon Llull bereits im 13. Jahrhundert vorschlug. Für jedes der 22 bisher studierten Kontrollszenarien und für jeden rationalen Parameter zwischen 0 und 1 wird die Resistenz oder Verletzbarkeit dieses Wahlsystems bzgl. dieses Kontrolltyps gezeigt. Insbesondere ist das klassische Copeland-System das erste bekannte Wahlsystem, das vollständig resistent gegen (alle Typen der) konstruktiven Kontrolle ist. Weitere Resultate betreffen die Resistenz und Verletzbarkeit dieser Wahlsysteme bzgl. Bestechung und Mikro-Bestechung.

Der Vortrag findet im Seminarraum 306 in der Carl-Zeiss-Str. 3 um 17:00 Uhr statt

Wahlmaschinen -- eure Aktivität ist gefragt

Unsere Wahlmaschinen sind sicher. Diese Behauptung stammt von diversen Herstellern von Wahlmaschinen. So stürzen sich nun diverse unabhängige Experten auf die Geräte und analysieren diese. Die Computer der Firma Diebold waren eine der ersten, die sich Untersuchungen unterziehen mussten. Dies begann, als die Firma versehentlich ihre Images auf einem öffentlich verfügbaren FTP-Server ablegte. Gegen Mitte des Jahres 2006 entdeckte dann die Open Voting Foundation Schachstellen in der Diebold-Software und den Vogel schoss der Forscher Ed Felten ab. Er und sein Team erstellten eine Sicherheitsanalyse der Diebold-Maschinen. Die Ergebnisse sind katastrophal. Diebolds immerwährende Begründung lautet, dass das ja alles alte Software ist und die neuen Versionen viel sicherer!!1!elf! sind (sieh auch Blogeintrag von Bruce Schneier). Tja, wers glaubt ...

Die niederländische Initiative Wir vertrauen Wahlcomputern nicht (Wer denkt sich eigentlich solche Namen aus?) ist dann nach intensiven Bemühungen in den Besitz einer Wahlmaschine der Firma Nedap gekommen. Unabhängige Experten untersuchten die Maschine und hielten sich offensichtlich die Bäuche vor Lachen. Aus Playing chess at the polls…

Well. A few weeks later the hackers 0wned the Nedap boxes inside out. We played chess on them, we manipulated votes and we could detect what has been voted from across the street, using compromising (spurious) emissions, aka. TEMPEST. I do not recall a similar defeat for a systems vendor in the last years.

Ich empfehle euch, die Seite der Initiative, den Report der Analyse (engl., PDF) bzw. auch die diversen Pressereaktionen durchzulesen. Außerdem gibt es bei der Rucksackreinigung eine schöne Analyse der Gesamtsituation.

Heute hat sich Fefe auch nochmal die wirtschaftliche Seite (Kostenersparnis ist eines der hauptargumente für den Kauf) zu Gemüte geführt. Er stützt sich dabei auch die offiziellen Unterlagen der Stadt Cottbus, wo demnächst mit Wahlmaschinen gewählt wird. Nach seinen Recherchen kosten die Wahlcomputer 4.100 Euro plus Mehrwertsteuer und Versand pro Stück. Wenn man das den Kosten für eine Papierwahl gegenüberstellt, kommt man zu (keinem überraschenden) Ergebnis:

Cottbus hat sich einen Wertverlust von 14.800 Euro pro Wahl gegenüber Druckkosten für eine Papierwahl von 2500 Euro pro Wahl als Kostensenkung verkaufen lassen, die sich nach weniger als 20 Jahren amortisiert (das Angebot sagt, daß die Hardware 20 Jahre hält).

Die Druckkosten für die Wahlscheine sind offensichtlich die einzige “Ersparnis”, die bleibt. Denn weiterhin müssen die Bürger benachrichtigt werden, die Wahlhelfer müssen anwesend sein, etc. Also ist offensichtlich auch dieses Argument entkräftet.

Nun ist es an euch. Wer immer noch der Meinung ist, dass Wahlcomputer eine sinnvolle Sache sind, der kann sich die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen in den USA nochmal anschauen bzw. sich genauer informieren. Dann klickt auf diese Petition und unterzeichnet diese mit. Vielen Dank!

cronjob