Die Räume der Friedrich-Schiller-Universität Jena hatte heute zu
ungewöhnlicher Zeit ungewöhnliche Gäste. Zur Mittagszeit, wo sonst der
Vorlesungsbetrieb in vollem Gange ist, trafen sich verschiedene
Politiker, Wissenschaftler und interessiertes Publikum. Die Fraktion
von Bündnis90/Grüne hatte zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung
Thüringen, den Politiker Hans-Christian Ströbele und den
Politikwissenschaftler Prof. Dr. Michael Dreyer. Beide sollten
gemeinsam eine Podiumsdiskussion zum Thema Snowden und NSA bestreiten.
Ströbele erzählte zu Beginn seines Vortrages von seinem Besuch in
Moskau bei Edward Snowden. Währenddessen oder kurz danach hatte er
sich vorgenommen, den Whistleblower zu unterstützen. Dies sollte zum
einen durch die Errichtung eines Untersuchungsausschusses wie auch
durch einen Aufenthalt Snowdens in Deutschland passieren.
Der NSA-Untersuchungsausschuss lag zu Beginn der Legislaturperiode in
weiter Ferne. Die SPD, die vor der Wahl noch einen anderen
Zungenschlag hatte, verlor mit Regierungsbeteiligung das Interesse an
Snowden. Interessanterweise war es die CDU, die den Weg zu dem
Untersuchungsausschuss ebnete. Ströbele machte hierfür den Druck aus
den Reihen der Bevölkerung verantwortlich. Im Verlaufe des Vortrages
versuchte er immer wieder klar zu machen, dass politischer Druck »von
der Straße« durchaus in die Politik einwirkt. Die Schritte, die dann
passieren, sind leider klein, manchmal zu klein.
Mittlerweile wurden erste Juristen im Untersuchungsausschuss
angehört. Auch hier erwähnte Ströbele, dass alle drei Juristen
einhellig meinten, dass die Überwachung des BND verfassungswidrig
ist. Hier gilt es nun, die Gesetze und auch die Arbeit des
parlamentarischen Kontrollgremiums anzupassen. Dies soll nach dem
Vorbild des United States Senate Select Committee on Intelligence
sowie ähnlicher Behörden passieren. Diese haben neben den eigentlichen
Gremiumsmitgliedern eine Reihe von unterstützenden Mitarbeitern. Die
Mitarbeiter helfen dann beispielsweise bei der Einschätzung
technischer Fragen.
Ströbele erwähnte einige Male stolz das Unternehmen Posteo. Das
kümmert sich um gute Verschlüsselung und sitzt in Kreuzberg. Ich war
ja versucht, noch mailbox.org zu erwähnen. Auch das Unternehmen sitzt
in Berlin und verschlüsselt die Daten auf dem Transportweg wie auch in
der Inbox.
Insgesamt regte Ströbele an, dass sich US-Unternehmen, die Probleme
wegen starker Verschlüsselung bekommen haben, in Deutschland
ansiedeln.
Zum Abschluss seines Vortrages klebte er einen
Ein-Bett-für-Snowden-Aufkleber in den Hörsaal und überließ
Prof. Dreyer das Wort.
Dreyer bemühte sich um Gegenrede. Denn nach seinem Bekunden ist ein
Podium mit gleichen Meinungen langweilig. Nachdem er einen Werbeblock
für diverse andere Veranstaltungen abgespult hatte, fragte er das
Publikum, wer denn Jonathan Pollard kenne. Erwartungsgemäß meldete
sich (fast) niemand. Pollard gab Dokumente an den israelischen
Geheimdienst (oder, wie die offizielle Bezeichnung lautete, das Büro
für wissenschaftliche Verbindungen) weiter. Dafür wurde Pollard zu
lebenlänglicher Haftstrafe verurteilt. Seit der Verurteilung setzte
sich ziemlich jeder israelische Premier bei dem jeweiligen
US-Präsident für die Freilassung ein. Bisher waren alle ohne
Erfolg. Dreyer nahm dies als Beispiel oder Parallele für ein
eventuelles Vorgehen gegen Snowden. Aus meiner Sicht hinkt dieser
Vergleich jedoch. Denn Pollards Veröffentlichungen sorgten für die
Enttarnung diverser CIA-Agenten und vermutlich sogar für Hinrichtungen
einiger Agenten. Das Damage Assessment besteht aus diversen
Dateien. Auf der anderen Seite versuchte Snowden Dokumente zu wählen,
die niemandem einem Risiko aussetzen und die auch keine legitime
nachrichtendienstliche Tätigkeit aufdeckt. Stattdessen versuchte er
nur den ungesetzlichen Teil aufzudecken und mit Dokumenten zu
belegen. Daher würde ich erwarten und hoffen, dass er im Falle eines
Gerichtsverfahrens wenig streng bestraft wird.
Die anderen Argumente Dreyers bezogen sich auf die
Auslieferungsabkommen, die Deutschland natürlich einhalten
muss. Ströbele wandte ein, dass einerseits die Regierung sich gegen
eine Auslieferung aussprechen kann und andererseits die Auslieferung
für politische Vergehen verboten ist. Die Bundesregierung wurde
angefragt, ob es sich bei Snowden um einen solchen handelt. Daraufhin
fragte die Regierung in den USA nach deren Meinung. Das sorgte für
einige Lacher im Publikum.
Dreyer schlug weiterhin vor, statt Snowdens lieber Glenn Greenwald
oder Laura Poitras einzuladen. Hier stellte sich heraus, dass er
diesen Aspekt nicht gut vorbereitet hatte. Denn beide sind bereits
eingeladen. Allerdings werden sie wohl keine Aussage machen, sondern
als Journalisten Quellen schützen.
Die Empfehlung von Dreyer war, dass sich alle umfassend Gedanken über
Vor- und Nachteile machen sollten. Diese Gedanken sollten als
Grundlage einer Entscheidung stehen und eventuelle Emotionen sollten
zurücktreten.
Insgesamt fand ich die Veranstaltung sehr schön. Gerade dadurch, dass
Prof. Dreyer versuchte, einen Kontrapunkt zu setzen, wurde die
Diskussion interessanter und einige Argumente traten stärker zu
Tage. Ich würde mir mehr solcher Veranstaltungen wünschen.