Arbeiten und Heiraten im Jemen
Der Mittwoch sollte dann mein erster richtiger Arbeitstag werden. Zu Beginn wurden im Vorhof des Gebäudes diverse Tische und Stühle aufgebaut. Gleichzeitig teilte mir der Organisator mit, dass ich zu Beginn doch bitte eine kleine Rede halten solle. So versuchte ich fieberhaft in den verbleibenden Minuten mir etwas sinnvolles einfallen zu lassen. Im Anschluss erzählte ich dann etwa zehn Minuten etwas über das Internet, die Überwachung und Sperrung von Webseiten sowie über die Inhalte der nächsten Tage. Natürlich konnte ich es mir nicht verkneifen, einige Worte zum Zugangserschwerungsgesetz zu verlieren. Das erzeugte einiges Erstaunen bei den Zuhörern. Später kommentierte einer der Teilnehmer das mit den Worten, dass die deutsche Regierung doch nach Jemen kommen könne. Hier kann sie in puncto Zensur und Sperrung einiges lernen.
Im Kurs stellte ich dann verschiedene Möglichkeiten der Umgehung vor. Dabei versuchte ich klar zu machen, dass sich niemand nur auf eine Alternative verlassen sollte. Zuerst sprach über manuelle Methoden. Manchmal reicht es, eine Seite statt mit http:// mit https:// aufzurufen. Im Fall von Sesawe oder Your Freedom funktioniert das wunderbar. Weiterhin reicht es auch das www. von der URl zu entfernen. So lassen sich blockierte Seiten zum Teil erreichen. Ein weiteres gut funktionierendes Mittel ist Google Translate oder halt ein ähnlicher Dienst. Ein gangbares Mittel wäre die Suche nach offenen Proxys mittels diverser verfügbarer Proxylisten. Jedoch war das Eintragen eines Proxy für die meisten Teilnehmer zu schwierig. Sinnvoll wäre aus meiner Sicht ein kleines Programm, was automatisch Proxys runterlädt und dann beispielsweise eine pac-Datei kreiert. Diese könnte automatisch geladen werden.
Später kamen wir dann auf Psiphon zu sprechen. Das Werkzeug überzeugte aufgrund seiner Einfachheit. Einloggen, URL eingeben und browsen. Das Projekt versucht seinerseits seine Proxyserver geheim zu halten und hat auch einige Gegenmaßnahmen eingebaut. Ich kann nur hoffen, dass das lange so bleibt. Später kam dann noch Alkasir und Your Freedom zur Sprache. Letzteres war jedoch für die meisten Teilnehmer zu komplex. Ich glaube, außer ein paar Willigen wird das niemand so schnell nutzen.
Der Arbeitstag wurde dann mit einem gemeinsamen Essen in einem typischen jemenitischen Restaurant beschlossen. Für Europäer ist der Anblick der Essenden sicher gewöhnungsbedürftig. Denn es wird mit Händen gegessen und Geschirr wird nur zum Servieren der Speisen benutzt. Das Essen selbst war sehr lecker. Wir hatten gebratenen Fisch und diverse Fleischspeisen. Hinzu kamen Soßen und Fladenbrot, welches einen Durchmesser von mindestens einem halben Meter hatte.
Abends hörte ich Gesänge, die sich wie die üblichen Muezzin-Klänge anhörten. Jedoch war es zu einer ungewöhnlichen Zeit. Die Muezzin singen ihre Suren üblicherweise sechs Mal am Tag, beginnend zwischen halb und um vier Uhr morgens. Also beschloss ich, den Gesängen mal nachzugehen. In einem Innenhof hatte sich eine Gesellschaft versammelt. Ehe ich so richtig identifizieren konnte, um was es sich da handelt, kam jemand auf mich zugestürmt und bat mich reinzukommen. Ich folgte der Einladung und flugs befand ich mich inmitten einer Hochzeitsgesellschaft. Sofort musste ich mich zum Bräutigam gesellen und Fotos wurden gemacht (Leider sind die nur mit Handycam aufgenommen. Fotoapparat lag sicher im Hotel.). Glücklicherweise hatte ich vorab gesehen, wie die Gratulation abläuft und versuchte es, so gut es geht nachzumachen. Die Teilnehmer wiesen mir einen Platz in ihren Reihen zu und so konnte ich recht lange der Prozession beiwohnen.
Später am Abend verließ ich die Gesellschaft dann tief beeindruckt. Die Leute waren sehr herzlich und aufgeschlossen. Ich hatte die gesamte Zeit nicht das gefühl, ein beliebiger Fremder zu sein. Vielmehr war ich fest integriertes Teil der Festgemeinschaft. Gerade die Feier machte diesen Tag zu dem bislang schönsten hier im Land.