Skip to content

Mathematik verstehen am Beispiel einer Defintion

Kürzlich ging eine Erschütterung durch die Welt der Kryptografie. Das Paper Quantum Algorithms for Lattice Problems versprach einen neuen Angriff gegen bestimmte Algorithmen. Diese heißen Learning-With-Errors (LWE) und bilden eine Grundlage für Algorithmen, die gegen Quantencomputer sicher sein sollen. Hier spielt eine Menge Mathematik mit hinein. Als Beispiel seht ihr eine halbe Seite aus dem Paper:

Seite 22 des Papers
Seite 22 des Papers

Das Thema klang hinreichend interessant und ich wollte mich ein wenig einlesen. Zum konkreten Paper muss man sagen, dass mittlerweile ein Fehler im Algorithmus gefunden wurde und die Autoren schreiben:

Now the claim of showing a polynomial time quantum algorithm for solving LWE with polynomial modulus-noise ratios does not hold.

Beim Lesen fiel mir wieder etwas auf, was mir schon früher auffiel. Es gibt Sätze, die kommen recht unschuldig daher und klingen leicht verständlich. Dennoch steckt soviel Theorie dahinter, dass es eine Weile dauern könnte, um diese zu durchdringen.

Gleich in der Einführung findet sich ein Beispiel: An n-dimensional lattice L is a discrete additive subgroup of ℝn. (Ein n-dimensionales Gitter L ist eine diskrete additive Untergruppe von ℝn.)

Welche Begriffe muss man verstehen oder interpretieren können, um die Definition zu verstehen?

  1. n-dimensional
  2. diskrete additive Untergruppe
  3. n

Das heißt, nahezu jedes Wort ist erklärungsbedürftig und mit Schulwissen kaum zu durchdringen. Wenn wir jetzt die Wikipedia konsultieren, kommen wir ein Stück weiter. Dort findet sich auch eine Definition des Gitters als diskrete Untergruppe eines euklidischen Raums sowie einige Beispiele. Wenn wir beide Definitionen vergleichen, steht in dem Paper zusätzlich das Wort additiv und anstatt euklidischer Raum wird von ℝn gesprochen. Aus der Wikipedia-Seite zum euklidischen Raum wird schnell klar, dass ℝn ein euklidischer Raum ist. Also sind beide Definitionen ähnlich. Das heißt, mit kleinen Einschränkungen können wir mit der Wikipedia-Definition weiterarbeiten.

Um den Satz nun zu verstehen, sollten wir uns dem zweiten Begriff, der diskreten additiven Untergruppe, zuwenden. Beim Aufdröseln ergeben sich neue Begriffe, die man entweder kennen oder lernen muss.

  • Untergruppe
    • Eine Untergruppe hat eine Verknüpfung (Addition, Multiplikation etc.) und bildet eine Gruppe.
      • Eine Gruppe ist eine Menge mit einer Verknüpfung (Addition, Multiplikation etc.). Bei der Verknüpfung ist es egal, wie man Klammern setzt (Assoziativgesetz), es gibt ein so genanntes neutrales Element und ein inverses Element. Wenn man ein neutrales Element verknüpft, ändert sich nichts, so wie bei einer Addition mit 0. Wenn man ein Element der Menge mit dessem inversen Element verknüpft, erhält man das neutrale Element (12-12=0 bei der Addition, -12 ist das inverse Element).
  • Additive Untergruppe
    • Das ist eine Untergruppe, wo die Verknüpfung Addition heißt.
  • Diskrete Untergruppe
    • Eigentlich geht es hier um diskrete Teilmengen eines Raumes mit der zusätzlichen Eigenschaft, dass diese Teilmenge eine Untergruppe bildet.
    • Eine Teilmenge ist, wie der Name schon sagt, ein Teil der Menge.
    • Diskret bedeutet nun, dass jedes Element der Menge eine Umgebung hat, dass kein weiteres Element der Teilmenge enthält. Das heißt, die einzelnen Elemente der Menge sind isolierte Punkte.
    • Die ganzen Zahlen …, -2, -1, 0, 1, 2, … sind als Teilmenge der reellen Zahlen eine solche Menge. Denn bei jeder Zahl gibt es nach links und rechts einen Abstand, wo sich keine andere Zahl drin findet. Bei den Brüchen (rationale Zahlen) ist das anders. Dort finden sich keine zwei Zahlen mit einem kleinen Abstand, dass keine andere rationale drin läge. Daher ist das keine diskrete Teilmenge.
  • n
    • n ist der n-dimensionale Raum der reellen Zahlen. Aus der Schule kennt man ℝ1 (Zahlenstrahl), ℝ2 (Zahlenebene) und ℝ3 (dreidimensionaler Raum).

Damit haben wir alle Bauteile zusammen, um den obigen Satz zu verstehen. Wobei ich zugeben, muss, dass ich oben einige Abkürzungen genommen habe und auf intuitives Verständnis gesetzt habe. Dennoch reicht das in der Mathematik oftmals nicht. Es ist sinnvoll, sich Beispiele auszudenken. Diese sollten sowohl den positiven Fall abdecken (erfüllt die Definition), aber auch den negativen Fall (erfüllt die Definition nicht). Das sorgt dann wirklich für ein Verständnis des Ganzen.

Das war es auch, was ich am Anfang meinte, als ich von dem kleinen unschuldig klingenden Satz schrieb. Um den zu verstehen, muss man entweder tief im irgendwann mal Erlernten graben oder neues lernen und es dauert eine längere Zeit, bis man ein Paper einmal durchgearbeitet hat. Noch viel länger dauert es, bis man es verstanden hat. :-)

Der obige Satz war der Einstieg in das Paper und nur die Einleitung. Später geht es um gaussche Funktionen und Fouriertransformationen. Das sind Konzepte über die es semesterlange Vorlesungen gibt. Das heißt, um das zu verstehen, kann man wirklich aus den Tiefen der Mathematik schöpfen. Ich wünsche euch viel Spaß bei der Lektüre. :-)

Mit dem Paper haben sich einige andere auseinandergesetzt. Hier findet ihr interessante Lektüre dazu:

Protokoll der mündlichen Anhörung zur VDS beim europäischen Gerichtshof

Bastien Le Querrec von La Quadrature du Net fertigte ein Protokoll der mündlichen Anhörung vor dem europäischen Gerichtshof an. Die klagenden Verbände sowie die Beklagten bekamen Zeit Stellung zu nehmen und Fragen der Richterinnen und Richter zu beantworten. Das Originaldokument gibt es nur in französisch. Ich habe es daher mit Hilfe von DeepL, Google Translate und von Chloé Berthélémy ins Deutsche übersetzt. An einigen Stellen ist die Übersetzung noch etwas holprig. Solltet ihr Verbesserungen haben, hinterlasst bitte einen Kommentar oder schickt mit eine E-Mail.

Im erweiterten Eintrag unten findet ihr den gesamten Text des Protokolls. Alternativ könnt ihr diesen auch als PDF-Datei herunterladen.

Continue reading "Protokoll der mündlichen Anhörung zur VDS beim europäischen Gerichtshof"

Schreibt eure Provider wegen der Vorratsdatenspeicherung an!

Seit nun mehr als zehn Jahren wird um die Vorratsdatenspeicherung gerungen. Verordnungen und Gesetze wurden verabschiedet, Klagen dagegen bestritten und gewonnen. Es gab unzählige Demonstrationen und Aktionen gegen diese Form der Überwachung. Am 1. Juli 2017 soll es nun soweit sein, dass wieder ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung eingeführt und umgesetzt wird. Auch hier gibt es einige laufende Verfassungsbeschwerden. Digitalcourage plant am 29. Juni 2017 Proteste gegen das Gesetz. Die SpaceNet AG klagte gegen das Gesetz und nun beschloss das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen, dass das Gesetz gegen europäisches Recht verstösst. Diese Entscheidung betrifft nur die SpaceNet AG. Andere Provider müssen entsprechend nachziehen. Um an der Stelle etwas Druck aufzubauen, will ich verschiedene Provider anschreiben und diese auffordern oder bitten, es der SpaceNet gleich zu tun. Unten findet ihr mein Musterschreiben. Ihr könnt es gern verwenden oder verbessern.

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen (OVG) hat mit Beschluss 13 B 238/17 vom 22. Juni 2017 entschieden, dass die zum 1. Juli 2017 umzusetzende Vorratsdatenspeicherung (VDS) gegen europäisches Recht verstößt. Damit wurde die Klägerin von der Speicherpflicht entbunden. Ich möchte Sie hiermit bitten, sich ebenso für die Grundrechte Ihrer Kundinnen und Kunden einzusetzen und eine ähnliche Entscheidung für Ihr Unternehmen zu erwirken.

Das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten (VerkDSpG) verpflichtet Internetserviceprovider (ISP) spätestens ab dem 1. Juli 2017 anlasslos eine Reihe von Verkehrsdaten zu speichern. Diesem Gesetz geht die Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten und die deutsche Umsetzung im Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG zuvor. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Regelungen in dem Urteil 1 BvR 256/08 vom 2. März 2010 für verfassungswidrig und damit nichtig. Am 8. April 2014 hob dann der europäische Gerichtshof (C-293/12, C-594/12) die Richtlinie auf, da diese gegen verschiedene Rechte aus der europäischen Grundrechtscharta verstößt.

Der deutsche Provider SpaceNet AG klagte nun gegen das im Dezember wieder eingeführte Gesetz und bekam am 22. Juni 2017 vor dem OVG NRW Recht. Das Gericht beschloss, dass die Vorratsdatenspeicherung gegen europäisches Recht verstößt. Die SpaceNet AG muss damit die VDS nicht umsetzen.

Das Urteil betrifft allerdings nur einen Provider. Ohne eine ähnlich gelagerte Entscheidung müssen andere ISP die VDS umsetzen. Daher möchte ich Sie bitten, sich für die Grundrechte Ihrer Kundinnen und Kunden einzusetzen und ein ähnlich gelagertes Urteil zu erwirken. Ich bitte Sie, mir mitzuteilen, ob Sie für Ihr Unternehmen derartige Schritte planen oder ob Sie ggf. anderweitig gegen die VDS vorgehen wollen.

Ich danke Ihnen vorab für Ihre Bemühungen und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Hoffen wir, dass sich möglichst viele Provider gegen die VDS stark machen und das Gesetz endlich gekippt wird!

Update: Golem berichtet, dass Vodafone keinen Eilantrag stellen will und Telefónica/O2 die Sachlage prüft.

TLS-Bingo -- Wer bietet mehr?

Ich hatte heute den verwegenen Plan und wollte die Webseite des sächsischen Landtages per HTTPS aufrufen. Der Browser stoppte mich und zeigte eine schöne Fehlermeldung:

Edas
Fehlermeldung zum Zertifikat von edas.landtag.sachsen.de

Also dem Zertifikat traut der Browser nicht. Außerdem fehlen dem weitere Bestandteile. Das Zertifikat ist eigentlich für eine andere Domain und schon längst abgelaufen.

Hier frage ich mich, ob jemand schon mal eine Liste von Zertifikatsfehlern gesehen hat, die länger ist, als die obige. :-)

Kryptografie mit Barbie

Das wunderbare Projekt »Chaos macht Schule« des CCC versucht, Medienkompetenz und Technikverständnis von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Verschlüsselung gehört mit in diesen Bereich und Bruce Schneier wies kürzlich auf ein Gerät hin, das in jedes Kinderzimmer gehört. ;-)

Von Mattel gibt es eine Schreibmaschine für Kinder, die eine einfache Verschlüsselung beherrscht. Das Modell E-118 wird von der slowenischen Firma Mehano hergestellt. Mittels der Tastenkombination Shift-Lock und 1, 2, 3 oder 4 wird die Verschlüsselung aktiviert. Die Nachricht kann dann über die Tastatur eingegeben werden und die Maschine druckt den Geheimtext aus. Die Schreibmaschine führt dabei eine einfache Ersetzung (Substitution) aus. Aber für einen Einstieg in die Welt der geheimen Kommunikation ist das sicher sehr gut.

Kryptografie auf einem Schwert

Was hat der Text NDXOXCHWDRGHDXORVI zu bedeuten? Diese Frage stellt das British Museum sich und der Allgemeinheit.

Ein etwa 700 Jahre altes Schwert wird derzeit ausgestellt. Auf der Klinge findet sich die obige Inschrift. Laut der Webseite des Museums vermutet man, dass es die Initialen einer religiösen Handlung darstellt. So steht die Abkürzung ND für Nostrum Dominus (unser Herr) und das X könnte für Christus stehen.

Das Museum ist an weiteren Deutungen sehr interessiert. Wenn ihr etwas wisst oder ahnt, wendet euch an das Museum.

via Ancient Origins: Medieval Sword contains Cryptic Code. British Library appeals for help to crack it.

cronjob