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Offene Proxys zur Zensurumgehung

Im letzten Blogposting stellte ich die Matrix verschiedener Zensurumgehungssoftware vor. Ich will hier und in den folgenden auf einzelne Software oder Protokolle eingehen. Vielleicht hilft euch das, Vor- und Nachteile der Lösungen zu erkennen.

Die erste Variante in der Reihe sind offene Proxys. Eigentlich wurden die nicht zur Zensurumgehung erfunden, das ist vielmehr ein Nebenaspekt. Proxys dienten zuerst als eine Art Zwischenspeicher in großen Netzen (Firmen). Denn das Internet war langsam und teuer. Also suchten die Betreiber nach Möglichkeiten, es schneller zu machen. Ein Proxy war eine solche Möglichkeit und spielt eine Vermittlerrolle. Die Benutzer eines Proxys fragen Webseiten nicht mehr direkt an, sondern nutzen den indirekten Weg über den Vermittler. Dieser ruft seinerseits die Webseite ab und liefert das Ergebnis weiter. Gleichzeitig speichert der Proxy die Webseite lokal. Kommt nun ein weiterer Benutzer, liefert der Proxy die Webseite aus seinem Speicher aus. Das ist zum einen schneller und zum anderen preiswerter, da kein externer Datenverbrauch entsteht.

Schematische Darstellung eines offenen Proxys (Quelle: Wikipedia)

Offene Proxys sind Proxys, die von allen benutzt werden können. Doch woher kommen diese offenen Proxys? Ein Teil stammt schlicht von Fehlkonfigurationen. Das heißt, jemand installiert eine Proxysoftware und gibt die dann versehentlich für die Welt frei. Andererseits kann das jemand in bösartiger Absicht tun. In der Hoffnung, dass Fremde die Software nutzen, sich bei Seiten einloggen und dort sensible Daten hinterlassen, wird der Proxy aktiviert. Der Angreifer lauscht mit und bekommt so Zugriff auf die Geheimnisse seiner Nutzer. Dafür würde die konsequente Nutzung verschlüsselter Seiten (HTTPS) schützen. Eine weitere Gruppe von Administratoren sorgt sich um die Sicherheit seiner Nutzer und versucht mit speziellen offenen Webproxys zu helfen. Zu letzterem gehören Seiten wie Morphium.info oder Anonymouse.org. Weiterhin gibt es Listen, wie beispielsweise Xroxy, die beliebige offene Proxys sammeln. Das Firefox-Plugin Stealthy lädt die Listen automatisch herunter und macht die im Browser nutzbar.

Ein Nutzer in einem Land mit Internetzensur kann versuchen, einen offenen Proxy zu verwenden. Als einfache Varianten bieten sich Morphium.info, Anonymouse oder Stealthy an. Oder aber er stellt im Browser einen offenen Proxy ein. Im letztgenannten Fall geht der Aufruf nicht direkt zur gesperrten Webseite, sondern zu dem Proxy. Dieser ruft die Seite auf und liefert das Ergebnis zurück.

Derartige Proxys sind ein sehr einfaches Mittel, Zensur zu umgehen. Leider haben das auch die Zensoren erkannt. Diese rufen häufig einfach die Listen der Proxys ab und sperren die Adressen. Andererseits wies ich oben schon auf den möglichen Missbrauch seitens des Betreibers des Proxys hin. Gegebenenfalls liest der Betreiber mit und nutzt diese Daten später zu seinem Vorteil. Im schlimmsten Fall könnte der Zensor den Betreiber des Proxys »überzeugen«, die Daten spezieller Nutzer mitzuschneiden und ihm diese auszuhändigen. Das heißt, auf der einen Seite sind Proxy zwar einfach. Aber die damit verbundenen Risiken sind nicht von der Hand zu weisen.

Die Lage verbessert sich für den zensierten Nutzer etwas, wenn er gute Freunde hat, die für ihn einen Proxy betreiben. Denn diese sind hoffentlich vertrauenswürdig.

Insgesamt sind die offenen Proxys also ein erster Weg zur Zensurumgehung. Mit etwas Glück funktionieren die im Land. Jedoch sollten die Nutzer sich immer über eventuellen Missbrauch im Klaren sein und entsprechende Gegenmaßnahmen treffen.

Weitere Informationen hat die englischsprachige Wikipediaseite zu Open Proxys oder die deutschsprachige zu Proxys.

Meine beliebteste Zensurumgehungssoftware

In der Fragestunde zu meinem Vortrag beim 29C3 wurde ich unter anderem gefragt, was meine Top Fünf der Zensurumgehungssoftware sind. Ich antwortete, dass ich konkret Tor und den Teilprojekten mein Vertrauen schenken würde. Im folgenden will ich nochmal etwas differenzierter auf diese Frage antworten.

Beim Vortrag hatte ich die untenstehende Matrix von Zensurumgehungsmaßnahmen präsentiert. Das sind Projekte, die mir in der Vorbereitung einfielen. Die Aufstellung ist nicht vollständig. Mir fallen immer mal neue Namen ein. Im Nachgang zu meinem Vortrag wurden noch phantom und RetroShare genannt.

Open Proxys VPNs Alkasir
Psiphon Your Freedom Collage
Infranet Tangler Triangle Boy
Picidae Message in a bottle #h00t
Instasurf Hotspot Shield WebSecure
Tor Flashproxys Bridges
Safeweb Haystack Peek-a-booty
Telex JonDonym Censorsweeper
Freehaven Ultrasurf SWEET
Cirripede Proximax Dynaweb

Die grün hinterlegten Felder sind meiner Meinung nach Software, die man zur Zensurumgehung einsetzen kann. Bei den gelben Feldern gibt es einiges zu beachten und die kann daher nicht bedenkenlos verwendet werden.

Den gelben Felder ist gemein, dass in der Regel unbekannt ist, wer Betreiber des Angebotes ist. Das ist jedoch eine recht wichtige Information. Denn der Betreiber hat aufgrund des Modells alle Informationen über die Benutzer. Gegebenenfalls kann er diese weitergeben oder auswerten. Wie ich schon im Vortrag sagte, fiel bei mir, genau aus dem Grund, Ultrasurf durch. Denn im Artikel »Digital Weapons Help Dissidents Punch Holes in China’s Great Firewall« von Wired stand 2010:

This becomes clear when Huang, sitting in a generic chain cafè9 in Cupertino, opens up his laptop to show me a random hour’s worth of UltraSurf’s user logs.

Lines of text zoom by, showing thousands of IP addresses and web pages visited.

Einzig bei Alkasir kenne ich den Betreiber und glaube ihm vertrauen zu können. Daher würde ich hier zu grün tendieren. Jedoch kann er prinzipiell jederzeit in den Internetverkehr schauen. Diese theoretische Schwäche führt zum Gelb.

Einen offenen Proxy, VPN oder einen Picidae-Server kann jeder selbst betreiben. Das heißt, wer Freunde in anderen Ländern hat, kann so etwas aktivieren und damit den Menschen helfen. Ich hoffe, dass ihr dann euren Freunden nicht hinterherspioniert. Sollte jemand einen kommerziellen VPN-Provider in Betracht ziehen, so solltet ihr euch nach Speicherdaten, -dauer etc. erkundigen. Letztlich ist es immer schwer, eine immer funktionierende Lösung zu finden. Denn allen ist gemein, dass man dem Betreiber vertrauen muss. Bei den grünen Lösungen steckt das Vertrauen meist im Design des Systems. In den meisten Fällen könnte auch eine nicht vertrauenswürdige Person den Dienst betreiben, ohne Schaden anzurichten.

Neben Tor wäre mein zweiter Favorit JonDonym. Die Software ist nach meinem Eindruck fast nur als Anonymisierer bekannt. Sie besitzt jedoch auch eine Zensurumgehungsfunktion. Wenn ich mich richtig erinnere, ist diese Funktion auch die Grundlage der Tor Brückenserver. Laut Aussage der Entwickler wird JonDonym kaum gesperrt. Aufgrund des Designs ist die Software auch sicher. Ich erwarte nur Probleme bei der Installation bzw. Benutzung. Denn nach meiner Erfahrung tun sich viele Benutzer mit einer zu installierenden Software, wo zudem noch irgendwelche Fragen gestellt werden, schwer.

Der obige Punkt bringt mich zu Psiphon. Das große Plus der zweiten Variante von Psiphon ist eben die leichte Benutzung. Es reicht, wenn sich der Nutzer sein Login merkt und eine URL in ein Textfeld eingeben kann. Den Rest erledigt die Software. Mit der neuen Version ändert sich das wieder ein wenig. Ich werde mir die demnächst mal anschauen und evtl. dazu bloggen.

Telex habe ich ebenfalls in Grün markiert. Wobei ich mir natürlich bewusst bin, dass es da diverse Schwierigkeiten gibt. Allen voran braucht es Provider, die sich diese Telex-Stationen in ihr Netz stellen. Daneben gibt es derzeit nur einen Prototyp und offensichtlich keine weitere Entwicklung. 

Roger Dingledine hat sich vor einiger Zeit ebenfalls Gedanken gemacht und zehn Dinge zusammengestellt, die ihm bei einer Umgehungssoftware wichtig sind. Letztlich finde ich die Top-Irgendwas-Listen immer schwierig. Denn es ist einfach schwierig eine ausgewogene Wertung zu treffen. Ich denke, einige würden Tor geringer gewichten, da es langsam ist. Dafür mögen die dann Ultrasurf, weil es schnell ist. Ich hingegen ziehe Ultrasurf gar nicht als Werkzeug in Betracht, da es eben die genannten Probleme hat. Ich hoffe, mit den obigen Worten konnte ich euch ein paar Hinweise an die Hand geben. :-)

Videoüberwachung bei der Jenaer Feuerwehr

Im März 2012 besuchte ich den Thüringer Landesdatenschutzbeauftragten. Er war damals gerade neu ins Amt gekommen und so wollte ich die Gelegenheit nutzen, ihn kennenzulernen und ihn zu seinen Aufgaben zu befragen. Das Interview wurde im Rahmen der vierten Datenkanalsendung ausgestrahlt.

Kurz vor dem Interview war ich auf der Leitstelle der Jenaer Feuerwehr. Dort fiel mir eine Videokamera auf. Ich vermutete eine Mobotix Dual Night M12D. Da die Kamera neben Bild- auch Tonaufnahmen anfertigen kann, beschloss ich den Datenschutzbeauftragten dazu zu befragen. Mittlerweile liegt mir eine Antwort vor.

Die Datenschützer holten einige Informationen bei der Stadtverwaltung Jena ein. Unter anderem erhielten sie Screenshots vom Aufnahmebild. Entgegen meiner Vermutung nimmt die Kamera nicht den angrenzenden Fußgängerweg auf. Die Aufnahme beschränkt sich auf das Betriebsgelände der Feuerwehr. Damit gibt es diesbezüglich nichts zu beanstanden. Allerdings ist das Mikrofon bedenklich. Hier versuchen die Datenschützer zusammen mit der Stadt Jena eine Lösung zu erarbeiten. Sobald ich mehr weiß, gebe ich Bescheid. Mittlerweile bin ich zwei Verstößen gegen den Datenschutz in Thüringen auf der Spur. Ich hoffe, auch dazu bald mehr berichten zu können.

In der Zwischenzeit empfiehlt es sich, die anderen Sendungen des Datenkanals anzuhören. ;-)

Veranstaltung: Transparenz versus Datenschutz

Ich stolperte gerade über die folgende Ankündigung (Transparenz versus Datenschutz – informationelle Selbstbestimmung und Autonomie der Persönlichkeit um 1800 und heute):

Die Ideen der Aufklärung und klassischen Philosophie formten um 1800 die Vorstellung der autonomen Persönlichkeit und menschlichen Würde. Die Person prüft alle sie betreffenden Dinge, trifft Entscheidungen und handelt selbständig. Kann der Mensch in der modernen Mediengesellschaft noch auf Autonomie beharren oder muss er sie aufgeben, um sich zu integrieren? Gibt es einen Kompromiss, der es erlaubt, sich frei und geborgen zugleich zu fühlen? Wie würden die FrühromantikerInnen versuchen, diese Fragen zu beantworten?

Am Samstag, dem 16. Juni 2012, diskutieren Constanze Kurz, Moritz Gause und Temilo van Zantwijk ab 15 Uhr im Romantikerhaus in Jena

Datenweitergabe bei Erhebung der Kurtaxe

Anfang des Jahres besuchte ich für die vierte Sendung des Datenkanals den Landesbeauftragten für den Datenschutz (DSB) in Thüringen, Dr. Lutz Hasse. Im Interview erwähnte er ausdrücklich, dass sich Bürger an ihn wenden können. Kürzlich hatte ich nun Grund, einen DSB um seine Meinung zu bitten.

Vor kurzem weilte ich an der Ostsee. Wie in vielen Feriengebieten ist es üblich Kurtaxe zu zahlen. Damit wird der Strand und die Ortschaften sauber gehalten. Wir fragten nach eventuellen Vergünstigungen bei der Kurtaxe. Die Vermieterin meinte, dass es Rabatte für Studenten und für Menschen mit Behinderungen gäbe. Dazu wird auf dem Formular die Matrikelnummer oder das Aktenzeichen der Bewilligung festgehalten. Dies wird sodann an den Tourismusverband weitergegeben. Dieser führt angeblich eine Prüfung bei den jeweiligen Behörden durch. Letzteres halte ich eher für ein Missverständnis auf Seiten der Vermieter. Ich fand den gesamten Vorgang recht merkwürdig. Warum sollten die Daten überhaupt erhoben werden? Es reicht doch, wenn der Vermieter auf dem Formular bestätigt, dass die Dokumente vorlagen. Eine Speicherung der Informationen verletzt nach meinem Eindruck den Grundsatz der Datensparsamkeit. So schilderte ich den Vorfall dem DSB in Mecklenburg-Vorpommern. Nach einiger Zeit bekam ich eine Antwort.

In der Begründung bezieht sich der DSB hauptsächlich auf den § 28 BDSG. Dort ist geregelt unter welchen Umständen die Speicherung von personenbezogenen Daten für eigene Geschäftszwecke zulässig ist. Nach der Analyse ist eine Speicherung der Daten nicht erforderlich. Außerdem bewertet er das schutzwürdige Interesse des Bürgers höher als den Betrag, um den es hier geht. Insgesamt ist die Erhebung und Speicherung wohl nicht rechtmäßig. Der DSB bat den Tourismusverband um eine Stellungnahme und evtl. wird diese Praxis dann bald eingestellt.

Ihr seht also, es kann sich durchaus lohnen, den Datenschutz ernst zu nehmen und seine Rechte einzufordern. ;-)

Symposium „Die neue Freiheit im Internet“

Wie verändert das Internet die Wissenschaft, die Politik und die Wirtschaft und welche Chancen bietet es, demokratische Verhältnisse und Freiheit für alle Menschen zu erreichen? Diese Frage stellt das Symposium www.wissen-und-macht.com Die neue Freiheit im Internet. Das Symposium teilt sich in drei Bereiche, die das Internet als Bildungsinstrument, als politisches Instrument sowie als Wirtschaftsinstrument betrachten. In jedem Bereich werden verschiedene Redner ein Thema anreißen. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wird versucht, dieses später zu vertiefen. Ich werde im Bereich Internet als politisches Instrument etwas zu Zensur im Internet erzählen. Schaut euch einfach das Programm an. Ich finde es sehr interessant. Wer nicht selbst in Berlin sein kann, dem bietet das Hasso-Plattner-Institut einen Livestream an. Der Twitter-Hashtag ist wohl #wissen2011 und ihr könnt die Veranstalter über @wissenundmacht verfolgen.

Ich freue mich auf eine spannende Veranstaltung! 

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