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Tor mit Realnamen benutzen?

Nachdem ich von der Mail von Twitter schrieb, gab es einige Reaktionen. Unter anderem behauptete Alvar Freude, dass wir nur gehackt wurden, weil wir Tor benutzen. Constanze Kurz und ich verfassten bei Netzpolitik.org eine Antwort darauf.

Alvar schreibt in seinem Originalbeitrag:

Besonders unsinnig ist die Benutzung von Tor in der Regel dann, wenn man gleichzeitig mit Realname auf Twitter oder Facebook oder sonstwas unterwegs ist.

Diese Kritik hörte ich auch in anderen Kanälen. Viele fanden es merkwürdig bis sinnlos einen Dienst zu nutzen, bei dem man sich letztlich mit seinem richtigen Namen anmeldet. Bei Netzpolitik war dazu unter anderem zu lesen:

Doch selbst wenn jemand dort einen Namen angegeben hat, woher soll Twitter oder Facebook wissen, dass es sich tatsächlich um diese Person handelt? Es gibt keine Pflicht, sich mittels Personalausweis oder anderen Dokumenten anzumelden, und dies soll auch weiterhin so bleiben. Gerade Menschen, die Wert auf eine freiheitliche Nutzung der Netze legen, geben nicht immer ihren Realnamen an.

Nun ist es bei mir aber so, dass ich bei Twitter durchaus unter meinem wirklichen Namen schreibe und trotzdem Tor nutze. Warum mache ich das?

Zwischen mir und Twitter, Facebook oder anderen Webseiten liegt auch der Provider. Dieser kann auch erkennen und mitschneiden, welche Seiten ich besuche. Ich bin der Meinung, dass ihn das auch nichts angeht.

Wenn man davon ausgeht, dass man das Internet immer von zu Hause benutzt, so ist es sicher unwahrscheinlich, dass euer Provider eure Internetnutzung protokolliert. Sollte sich aber der Verdacht des staatlichen Hackings bestätigen, könnte es eben auch sein, dass jemand an den Provider herangetreten ist und alles mitschneiden lässt.

Aber selbst wenn das nicht der Fall ist, so benutzen viele das Internet eben nicht nur von zu Hause. Gerade in der IT-Branche wie auch bei anderen Arbeitgebern ist die private Nutzung des Internets erlaubt. Daneben gibt es Cafés, Hotels, Bahnhöfe und andere öffentliche Orte mit Internetzugang. Gerade mit Hotels habe ich einige merkwürdige Erfahrungen gemacht. Aus meiner Sicht benötigt man spätestens beim Verlassen des Hauses Schutzmaßnahmen. Das kann ein VPN, Tor oder anderes sein. Jedes Werkzeug hat seine Vor- und Nachteile.

Gerade wenn man unterwegs ist und daher verschiedene Netze benutzt, gibt man diese Informationen auch an Seiten, wie Twitter und Facebook weiter, da diese meist sehr lange, über mehrere Verbindungen genutzt werden.

Bei all diesen Szenarien bietet mir Tor Schutz vor Beobachtung von außen. Dies ist unabhängig von der Tatsache, ob ich mich irgendwo mit Realnamen anmelde oder nicht.

Ich bin Opfer staatlichen Hackings

Heute morgen öffnete ich mein Postfach und fand eine E-Mail von Twitter vor. Darin stand, dass ich vermutlich Opfer eines staatlichen Hackerangriffs wurde.

Rein vorsorglich möchten wir Sie darüber informieren, dass Ihr Account zu einer kleinen Gruppe von Accounts gehört, die Ziel eines staatlich motivierten Hackerangriffs geworden sein könnte. Das bedeutet, dass die Hacker möglicherweise mit einer Regierung in Verbindung stehen. Wir vermuten, dass Daten und Informationen wie zum Beispiel Email-Adressen, IP-Adressen und Telefonnummern ausspioniert werden sollten.

Zunächst ging ich von Spam aus. Aber die ganze E-Mail war in gutem Deutsch verfasst. Auch die Header der Mail legten nahe, dass der Absender wirklich Twitter war.

Dann setzt Überraschung und Schock ein. Warum sollte ich Ziel eines Hackingangriffs sein und was kann ein Angreifer erkennen? Um die erste Teilfrage beantworten zu können, müsste man wissen, welcher Staat dahinter steckt. Die zweite ist schon leichter zu beantworten. Die E-Mail-Adresse, die ich für die Anmeldung bei Twitter und zur Kommunikation benutze, ist twitter@ (plus meine Domain natürlich). IP-Adressen sollten jeweils Tor-Exitknoten sein. Allerdings hatte die Twitter-App kürzlich Schluckauf. Daher sind dort vermutlich, ein paar Nicht-Tor-URLs zu finden. Ja, OPSEC ist eben schwer. :-) Telefonnummer müsste keine zu finden sein. Denn bisher habe ich es geschafft, nie eine Nummer angeben zu müssen.

Ich werde das Mal im Auge behalten und ein Update bringen, wenn es etwas Neues gibt. Auf Twitter fand ich bisher 10 Accounts, die betroffen sind.

Update: Laut der Meldung bei der Frankfurter Rundschau bestätigte Twitter nochmals die Echtheit der E-Mail. Sie sagte, dass sie den Vorfall aktiv untersuchen und machten ansonsten keine weiteren Angaben dazu.

Bericht der UN zu Verschlüsselung und Anonymität

Der UN-Berichterstatter für die freie Meinungsäußerung (freedom of expression), David Kaye, hat heute den Report on encryption, anonymity, and the human rights framework veröffentlicht. In dem Bericht geht es um zwei Fragen:

  1. Wird verschlüsselte und/oder anonymisierte Onlinekommunikation durch das Recht auf Privatsphäre und die Redefreiheit geschützt?
  2. Wie können Regierungen diese Rechte gegebenenfalls einschränken.

Das Dokument ist im DOC-Format auf der Seite zu finden. Ich habe auch eine Variante als PDF auf meiner Seite abgelegt.

Das Dokument beginnt mit ein paar einleitenden Worten und diskutiert dann Sicherheit sowie Privatsphäre in digitalen Medien. Die Kapitel 3 (Encryption, anonymity and the rights to freedom of opinion and expression and privacy) und 4 (Evaluating restrictions on encryption and anonymity) beschäftigen sich dann detaillierter mit den obigen Fragen. Das fünfte Kapitel hat dann Schlussfolgerungen und Empfehlungen an Staaten sowie verschiedene Organisationen.

Vom ersten Überfliegen bietet der Report einige wichtige Aussagen. So wird anerkannt, dass Verschlüsselung wie auch Anonymisierung wichtige Werkzeuge sind, um das Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben zu können.  Staaten wird nahegelegt, entsprechende Gesetze auf den Weg zu bringen und die Diskussion nicht immer nur im Hinblick auf möglichen Missbrauch (Stichwort: Terrorgefahr) zu führen. So steht in Absatz 59:

States should promote strong encryption and anonymity. National laws should recognize that individuals are free to protect the privacy of their digital communications by using encryption technology and tools that allow anonymity online. Legislation and regulations protecting human rights defenders and journalists should also include provisions enabling access and providing support to use the technologies to secure their communications.

Aber auch Firmen und private Unternehmen sollen Verschlüsselung und sichere Kommunikation fördern!

Nach dem ersten Überfliegen habe ich den Eindruck, dass das ein sehr interessantes Dokument ist. Wir sollten es inbesondere diversen Politikern als Bettlektüre mitgeben.

Lenovo-Laptops mit SuperFish-AdWare

Die aktuellen Nachrichten über Wanzen in Festplatten oder geknackte SIM-Karten hören sich auf der einen Seite sehr bedrohlich an, auf der anderen Seite werden viele dies abtun, als Verschwörungstheorie oder »Betrifft-mich-nicht«. Doch dann war von Barbies zu lesen, die alles mithören und ins Internet übertragen und Samsung warnt, vor seinen Fernsehgeräten nichts Privates zu erzählen. Im letzteren Fall werden die Daten im Klartext übertragen und damit kann jeder mithören, was vor dem gerät erzählt wird. Der große Lauschangriff mal ganz anders.

Ansicht des Zertifikats im Zertifikatsmanager
Detailansicht des Zertifikats von Chris Palmer (@fugueish)
Lenovo reiht sich nun ebenfalls in die Liste der Hersteller ein, die offensichtlich wenig auf die Privatsphäre der Käufer geben. Verschiedene Medien (The Next Web, Forbes, Heise, ZEIT Online, Golem u.a.) meldeten, dass Lenovo auf Laptops die Software SuperFish Visual Discovery vorinstalliert. Dies ist Adware, d. h. sie blendet Werbung auf Webseiten ein. Dies wird dadurch bewerkstelligt, indem ein Schnippsel JavaScript geladen wird und die unerwünschten Inhalte überträgt. Doch damit gaben sich die Hersteller der Software nicht zufrieden. In die vorab installierten und damit vertrauenswürdigen Zertifikate wurde auch ein Zertifikat eingefügt. Immer wenn nun eine verschlüsselte, sichere Webseite besucht wird, kommt das Zertifikat nicht von der ursprünglichen Webseite, sondern von der SuperFish-Software. Damit kann die Software den verschlüsselten Datenverkehr mitlesen und diese Daten auch manipulieren. Dieser so genannte Man-in-the-Middle-Angriff ist eine klassische Angriffstechnologie und dient in der Regel nicht guten Zwecken.
Code zur Installation des Zertifikats
Code, der versucht, das Zertifikat in verschiedenen Browsern zu installieren (via @supersat)

Die EFF beobachtet seit längerem den Status von Zertifikaten mit dem SSL Observatory und meldete, dass sie in dem Datensatz 44.000 dieser SuperFish-Mitm-Zertifikate fanden. Das Bild links zeigt ein wenig Quellcode. Demnach versucht die Software ihr Zertifikat in verschiedene Browser zu importieren. Das erklärt auch, warum u.a. auch Firefox betroffen ist. Denn im Gegensatz zu Google Chrome nutzt dieser nicht die Zertifikatsverwaltung von Windows.

Robert Graham hat neben anderen Forschern das Zertifikat aus der Software extrahiert und in kurzer Zeit das Passwort ermittelt (Das Passwort »komodia« liefert dann auch den Hinweis auf den Komodia SSL Digestor). Wie er schreibt, benötigte er keine Spezialkenntnisse. Ein geschickter Angreifer kann dies ebenfalls tun. Damit lässt sich dann auch für Dritte sämtliche verschlüsselte Kommunikation brechen. Aber der Superfish Software scheint auch der Status fremder Zertifikate egal zu sein. In einer Diskussion auf Hacker News berichtete jemand, dass die Software beliebige (auch ungültige) fremde Zertifikate akzeptiert. Ähnliches geht auch mit fakehost.lenovo.com oder CanIBesuperFished.com. Insgesamt reißt die Software damit ein riesengroßes Loch in die Sicherheit der Rechner. Mich erinnerte das spontan an den Fall von Sony, die auch Malware auf die Rechner installieren.

Was lässt sich nun gegen die Infektion tun? Die Software selbst ist in der Liste der installierten Programme von Windows zu finden und kann dort einfach deinstalliert werden. Allerdings bleiben eine Reihe von Einträgen in der Registry und das Zertifikat noch erhalten. Hier ist dann Handarbeit angesagt. Dazu müsst ihr den certmgr von Windows öffnen und das Zertifikat entfernen. Bei der EFF gibt es eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie das zu tun ist.

Lenovo hat mittlerweile reagiert und einerseits ein schönes Statement bei Twitter abgegeben:

Daneben gibt es eine Veröffentlichung, die den Vorfall klar als Vulnerability mit hohem Impact benennt. Die Veröffentlichung hat auch eine Liste der Produkte, die betroffen sind.

Wie funktioniert eigentlich Heartbleed

Lest ihr regelmäßig Bugreports oder Meldungen über Schwachstellen bei SSL/TLS? Wie fühlt ihr euch so? Zur Erinnerung:

SSL added and removed here!
Ausschnitt aus einer Folie aus dem MUSCULAR-Programm der NSA

Das heißt, drei Monate in Folge gab es schwere Sicherheitslücken in Software zur Verschlüsselung. Ganz unwillkürlich fühlt man sich an die Folien aus dem NSA-Programm MUSCULAR erinnert.

Die letztgenannte Schwachstelle ist vermutlich die bislang schwerste. Denn damit ist es möglich, den Arbeitsspeicher eines Computers auszulesen. Dies funktioniert sowohl auf der Seite des Servers wie auch beim Clientprogramm. Dazu ist es notwendig, dass das Programm OpenSSL verwendet und eine Erweiterung von SSL namens Heartbeat aktiviert hat. Dies ist beispielsweise bei Android in der Version 4.1.1 der Fall. Mozilla Firefox hingegen nutzt die NSS-Bibliothek und ist nicht betroffen. Die Webserver nutzen hingegen recht oft die OpenSSL-Bibliothek und sind damit betroffen, falls die Version 1.0.1 bis 1.0.1f von OpenSSL verwendet wird. Sollte jemand von euch die Software nutzen, so upgraded auf mindestens 1.0.1g oder deaktiviert Heartbeat in OpenSSL. Gerade letzteres kann man aus meiner Sicht problemlos tun. Denn bisher fand ich keinen sinnvollen Anwendungsfall für Heartbeat.

Doch wie funktioniert diese Lücke eigentlich? Heartbeat (RFC 6520) ist eine Erweiterung für TLS. Ein Teilnehmer einer Verbindung sendet beliebige Daten an den Empfänger. Dieser antwortet mit einer Kopie dieser Daten und zeigt somit, dass die Verbindung noch steht und alles in Ordnung ist. Das Problem dabei ist, dass in einer Anfrage zwei Längenfelder vorhanden sind. Ein Angreifer sendet einfach ein Byte Daten und behauptet, er hätte 64 kB gesendet. OpenSSL liest nun die 64 kB aus dem eigenen Puffer und sendet die Daten zurück an den Angreifer. Der Angreifer kann den Angriff immer und immer wieder starten und erhält so eventuell immer wieder ein neues Stück Arbeitsspeicher (siehe Kommentar von Florian Diesch). Bruce Schneier hat mit seinen Worten vollkommen recht:

Catastrophic" is the right word. On the scale of 1 to 10, this is an 11.
https://www.schneier.com/blog/archives/2014/04/heartbleed.html

Ich hatte in meinem 30C3-Vortrag schon ein OpenSSL-Beispiel reingenommen. Das sollte zeigen, wie kompliziert es sein kann, mit der Software sicheren Code zu schreiben. Auch andere sind, über die Codequalität gestolpert. Daher sind Leute gefragt, die einen detaillierten Blick auf OpenSSL werfen und die Software verbessern. Dazu zählt auch die bessere Lesbarkeit des Codes oder gute Dokumentation.

Wenn ihr wissen wollt, ob ihr betroffen seit, schaut lokal auf die OpenSSL-Version, nutzt die Zeile openssl s_client -connect example.com:443 -tlsextdebug 2>&1| grep ‘server extension “heartbeat” (id=15)’ || echo safe oder verwendet den Testservice von Lutz Donnerhacke oder Filippo Valsorda.

Weiterlesen:

Passwort und Nutzername im Dump der Daten von Yahoo! Mail

Firefox 27 mit TLS 1.2

Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich meine Anleitung zu sicheren SSL-Einstellungen löschen kann. Der aktuelle Firefox ist in der Version 27 erschienen. Wie angekündigt, unterstützt der Browser nun standardmäßig TLS 1.1 und 1.2. Damit werden die TLS-Einstellungen über about:config hinfällig. Die Seite How’s my SSL zeigt den Firefox mit Standardeinstellungen als Probably OK an. Sogar Seiten mit AES im GCM-Modus werden korrekt verschlüsselt.

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