Jeremy Rifkin

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Jeremy Rifkin (2009)

Jeremy Rifkin (* 26. Januar 1945 in Denver, Colorado) ist ein US-amerikanischer Ökonom, Publizist sowie Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends (FOET; Sitz in Washington, D.C., USA). Er unterrichtet unter anderem an der Wharton School der Universität von Pennsylvania[1] und galt als Visionär einer Wasserstoffwirtschaft.[2]

Biografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rifkin erwarb einen Bachelor of Science in Ökonomie an der Wharton School. In seinen Büchern beschreibt er die Auswirkungen des wissenschaftlichen und technischen Wandels auf Arbeitswelt, Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Essays und Kommentare aus Rifkins Feder erscheinen in Blättern wie The Guardian und der Los Angeles Times, im deutschsprachigen Raum zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung.

Am 14. November 2013 bekam Rifkin in Berlin für sein maßgebliches Wirken, Arbeiten und Gestalten bei weltweit energierelevanten Themen den Energy-Award-Sonderpreis „Energizer des Jahres“ verliehen.[3]

Rifkin ist außerdem seit Jahren ein engagierter Aktivist gegen die Biotechnologie in den USA, wie das Klonen, die genetische Veränderung von Pflanzen, Bio-Patente oder den Einsatz von Rinder-Somatotropin in der Milchproduktion.[4]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rifkins Arbeit ist umstritten. Gegner haben ihm einen Mangel an Wissenschaftlichkeit vorgeworfen. Der Harvard-Wissenschaftler Stephen Jay Gould bezeichnete Rifkins Buch Algeny aus dem Jahr 1983 als geschickt konstruierte anti-intellektuelle Propaganda, die sich als Wissenschaft verkleide.[5] Kritisiert wird auch, dass Rifkin komplexe Modellierungen entwirft, aber kein „detailliert ausgearbeitetes sozio-ökonomisches Gesellschaftsmodell“ beschreibt.[6]

Unter den Verfechtern neoliberaler Gesellschafts- und Wirtschaftskonzepte stößt er auf harsche Kritik,[7] und von Wissenschaftlern wurde er in den 1980er Jahren als Luddit charakterisiert.[8] Rifkins Prognosen werden auch als Argument für eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit verwendet.[9]

Seine Bücher wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. In Deutschland ist er vor allem durch Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft (1997, das Original erschien 1995) bekannt geworden. Andere Titel wie etwa Die empathische Zivilisation werden von Rezensenten kritisch gesehen, weil er zum Beispiel Empathie als „Quantenerfahrung“ bezeichnet[10] und eine „westliche Fortschrittsgläubigkeit“ propagiert.[11] In Bezug auf seine Interpretation des Begriffs Spiegelneuronen schreibt ein Rezensent von „neuen Erkenntnissen, dass Spiegelneuronen im Gehirn des Menschen für den Aufbau der Gefühlswelt grundlegende Strukturen bereit halten.“ Außerdem diskutiert Rifkin mehrere Theorien aus der Psychologie.[12] Dabei werden ihm Fantasien und Extremvorstellungen vorgeworfen.[11] Die FAZ schrieb: „Wir sind ja den Missbrauch des Quantums als Superlativ gewohnt, ...“[10]

Der französische Sozialphilosoph André Gorz kritisierte anhand des Buches The Age of Access, Rifkins Beispiele „erklären kaum, wie und warum es dazu kam - und worum es jetzt geht.“ Er befasse sich weniger mit dem Widerstand, den die neue ökonomische Form des Kapitalismus bei den Menschen erzeuge, sondern widme sich vor allem der Alltagskultur.[13] Eine weitere Kritik wirft Rifkin vor, seinen Beiträgen läge ein Technikdeterminismus zugrunde.[14]

Der Berliner Kulturwissenschaftler Byung-Chul Han bezeichnete Rifkins Projektionen als Hirngespinste.[15] Andere Berichterstatter vermissen den Realitätsbezug[16] seiner Thesen.

Bücher und Aussagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In The End of Work (1995; deutsch Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft) verweist Rifkin darauf, dass es durch den Produktivitätszuwachs in den vorangegangenen zwei Jahrzehnten zu einem dramatischen Verschwinden von Fabrikarbeitsplätzen gekommen sei und damit die lohnabhängige unselbstständige Arbeit zu ihrem Ende käme. Dies gelte trotz des Wirtschaftswachstums im selben Zeitraum. Anhand weltweiter Wirtschaftsdaten wurde prognostiziert, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird.[9] Rifkin erwartete, dass bis 2010 nur noch 12 % der arbeitenden Menschen in der Industrieproduktion eingesetzt werden. Bis 2020 würden es nur noch 2 % sein. Rifkin sah ein großes Potential im Nonprofitsektor, der durch „Steuerumschichtung“ finanziert werden müsse. Er forderte eine stärkere Besteuerung von natürlichen Ressourcen.[17] Das Buch wurde ein weltweiter Bestseller.[18]

The Age of Access (2000; deutsch Access) beschäftigt sich mit dem Einfluss der Globalisierung auf die kulturelle Identität und warnt vor der vollständigen Ökonomisierung unseres Lebens. Kernthese: Das Industriezeitalter sei endgültig vorüber, der Kapitalismus ändere sich radikal. „Access“, der rasche Zugang und Zugriff auf Ideen, Güter und Dienstleistungen zähle in der bereits sich heute herausbildenden Zugangsgesellschaft mehr als dauerhafter und schwerfälliger Besitz. Rifkin entwirft das Bild vom „Zeitalter des Zugangs“.[19] Er verwendet außerdem den Begriff Proteische Persönlichkeit, mit dem er durch moderne Kommunikationsmittel sozial vernetzte Personen bezeichnet, die auf dem Weg zu einer Entindividualisierung sind, und bezieht sich dabei auf Jean Baudrillard.[20] Das Buch wurde mit zwei Preisen ausgezeichnet: dem Arthur Andersen Business Book Award und dem Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch im Jahr 2000.

Rifkin verwendet den Begriff Zugangsgesellschaft (englisch access society) in einer anderen Bedeutung als Jonathan Simon.[21] Er bezeichnete damit einen gesellschaftlichen Wandel, der unter anderem durch das Internet ausgelöst wurde.[22]

The Hydrogen Economy (2002; deutscher Titel: Die H2-Revolution) zeichnete die Vision einer Wasserstoffwirtschaft und trieb die Debatte um den Wandel der Energiewirtschaft zum Beispiel durch Hybridantriebe voran. In der bisherigen Abhängigkeit der Wirtschaft vom Erdöl sah Rifkin große Gefahren.[23] Kritisiert wird das Fehlen von Aussagen, woher der Wasserstoff in den notwendigen Mengen kommen soll.[2]

In Der europäische Traum (2004) reflektierte Rifkin über transatlantische Unterschiede und skizzierte die Entwicklung der Europäischen Union (EU). Auch dieses Buch provozierte kontroverse Debatten.[24][25][26] Rifkin erhielt für das Buch 2005 in Deutschland den Literaturpreis Corine.

In dem im August 2014 auch auf Deutsch erschienenen Buch Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft (englischer Titel: The Zero Marginal Cost Society: The Internet of Things, the Collaborative Commons) vertritt Rifkin die These, dass sich angesichts weltweiter Vernetzung durch globale Kommunikation und Informationsaustausch die Zusatzkosten für Produkte (so genannte Grenzkosten) gegen Null entwickeln würden. Er spricht davon, dass mit der Entwicklung hin zu einer neuen Wirtschaftsordnung namens collaborative commons (dt. „kooperierende Allmende“, sinngemäß etwa Gemeinsames Wirtschaften) die Voraussetzungen für eine „dritte industrielle Revolution“ vorlägen.[27][28]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jeremy Rifkin, Ted Howard: Entropie – ein neues Weltbild. Nachwort von Nicholas Georgescu-Roegen, Hoffmann und Campe, Hamburg 1982, ISBN 3-455-08712-4.
  • Jeremy Rifkin: Genesis zwei. Biotechnik – Schöpfung nach Mass. Rowohlt, Reinbek 1986, ISBN 3-499-18489-3.
  • Jeremy Rifkin: Kritik der reinen Unvernunft. Pamphlet eines Ketzers. Rowohlt, Reinbek 1987, ISBN 3-499-18317-X.
  • Jeremy Rifkin: Uhrwerk Universum. Die Zeit als Grundkonflikt des Menschen. Knaur, München 1990, ISBN 3-426-04081-6.
  • Jeremy Rifkin: Das Imperium der Rinder. Campus-Verlag, Frankfurt/New York 1994, ISBN 3-593-35047-5.
  • Jeremy Rifkin: Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 1997, ISBN 3-596-13606-7.
  • Jeremy Rifkin: Das biotechnische Zeitalter. Die Geschäfte mit der Genetik. Goldmann, München 2000, ISBN 3-442-15090-6.
  • Jeremy Rifkin: Access. Das Verschwinden des Eigentums. Warum wir weniger besitzen und mehr ausgeben werden. Campus-Verlag, Frankfurt/New York 2000, ISBN 3-593-38374-8.
  • Jeremy Rifkin: Die H2-Revolution. Wenn es kein Öl mehr gibt… Mit neuer Energie für eine gerechte Weltwirtschaft. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 2005, ISBN 3-596-16029-4.
  • Jeremy Rifkin: Der Europäische Traum. Die Vision einer leisen Supermacht. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 2005, ISBN 3-596-16970-4.
  • Jeremy Rifkin: Die empathische Zivilisation. Wege zu einem globalen Bewusstsein. Campus-Verlag, Frankfurt/New York 2010, ISBN 3-593-38512-0.
  • Jeremy Rifkin: Die dritte industrielle Revolution. Die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter. Campus-Verlag, Frankfurt/New York 2011. ISBN 978-3-593-39452-7.
  • Jeremy Rifkin: Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus. Campus-Verlag, Frankfurt/New York 2014. ISBN 978-3-593-39917-1.
  • Jeremy Rifkin: Der globale Green New Deal. Warum die fossil befeuerte Zivilisation um 2028 kollabiert und ein kühner ökonomischer Plan das Leben auf der Erde retten kann. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2019. ISBN 3-593-51135-5.
  • Jeremy Rifkin: Das Zeitalter der Resilienz. Leben neu denken auf einer wilden Erde. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2022. ISBN 978-3-593-50664-7.

Aufsätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • André Gorz: Vom totalitären Vorhaben des Kapitals. Notizen zu Jeremy Rifkins „The Age of Access“. In: Widerspruch. 40, 2001 (Auszug im Freitag, 6. Juli 2001)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Jeremy Rifkin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wharton Leader, Jeremy Rifkin, W’67 Artikel im Wharton Alumni Magazine, Winter 2008.
  2. a b Auf Wiedersehen Wasserstoff, Abschnitt: Visionen für die Politik. auf: heise.de, 24. Mai 2007, aufgerufen am 19. April 2019.
  3. Energizer of the Year energyawards.handelsblatt.com, siehe Jeremy Rifkin – Energizer of the Year 2013.
  4. Gary Stix: Profile: Dark Prophet of Biogenetics, Scientific American, August 1997.
  5. S. J. Gould, "Integrity and Mr. Rifkin", Discover Magazine, January 1985; reprinted in Gould's essay collection An Urchin in the Storm, 1987, Penguin Books, S. 230.
  6. Paul Liebrecht: Die Entstehung der Zugangsgesellschaft. Chancen des Carsharing durch kulturellen Wandel. Diplomarbeit an der Fachhochschule Potsdam, Studiengang Kulturarbeit im Fachbereich Architektur und Städtebau 2014.
  7. Foundation on Economic Trends activistfacts.com (Website des Center for Organizational Research and Education)
  8. The Most Hated Man In Science. In: Time, 4. Dezember 1989.
  9. a b Auflistung der wichtigsten von Rifkin benannten Weltwirtschaftsdaten, zusammengestellt vom Förderverein Freie Bildung in Frankfurt - FFB e.V.
  10. a b Mir ist so ganz empathisch wohl in der FAZ
  11. a b Mitfühlen mit anderen beim Deutschlandfunk
  12. https://www.socialnet.de/rezensionen/9048.php.
  13. Vom totalitären Vorhaben des Kapitals. Notizen zu Jeremy Rifkins „The Age of Access“. In: Widerspruch. 40, 2001. Auszug in: Der Freitag. 6. Juli 2001. freitag.debatte: Eigentum: Vom totalitären Vorhaben des Kapitals — Der Freitag
  14. Werner Bonefeld (Hrsg.): Revolutionary Writing: Common Sense Essays in Post-Political Politics. Autonomedia,, 2003, ISBN 1-57027-133-X.
  15. Dieter Schnaas: Apple und Google: Was kommt nach dem Liberalismus? In: wiwo.de. 16. November 2019, abgerufen am 13. Februar 2024.
  16. Jeremy Rifkin bereitet Österreich auf die Gratis-Gesellschaft vor. In: tt.com. 15. Mai 2014, abgerufen am 29. Februar 2024.
  17. Interview (Memento vom 3. Mai 2005 im Internet Archive) in: Stuttgarter Zeitung, 29. April 2005.
  18. Georg Cremer: Deutschland ist gerechter, als wir meinen: Eine Bestandsaufnahme, C.H.Beck, 2018, S. 240 [1]
  19. Das Kapital als Täufer. In: Freitag, 29. Juni 2001.
  20. Rifkin: Access, S. 273 und 283.
  21. Bernd Dollinger, Henning Schmidt-Semisch: Gerechte Ausgrenzung?: Wohlfahrtsproduktion und die neue Lust am Strafen, Springer-Verlag 2011, Seite 251
  22. Die neue Ökonomie des Teilens: Deins, meins - egal, Manager Magazin vom 4. Februar 2013.
  23. The perfect storm that’s about to hit. In: The Guardian, 24. März 2004.
  24. Mathias Greffrath: Gesellschaft: Seht auf Europa! In: Die Zeit. 19. August 2004, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 31. Mai 2019]).
  25. Kurz und Bündig – Jeremy Rifkin: Der Europäische Traum. Die Vision einer leisen Supermacht. Cicero online, abgerufen am 31. Mai 2019.
  26. Interview mit Jeremy Rifkin: Der amerikanische Traum ist ausgeträumt. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. August 2004, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 31. Mai 2019]).
  27. „Der Anfang einer Revolution“ Gespräch mit Rifkin in Der Spiegel Nr. 32/2014.
  28. The Zero Marginal Cost Society Vortrag von Rifkin im AllianzForum in Berlin im September 2014, Video der American Academy in Berlin (1:28 Std.).