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EU-Votum Politik will neue Methoden gegen Wahl-Abstinenz

Wählerschelte und neue Ideen: Politiker streiten, wie Nichtwähler zur Stimmabgabe gelockt oder gezwungen werden können. Innenminister Schäuble will die Europawahl durch eine Direktwahl des "EU-Präsidenten" attraktiver machen, ein SPD-Politiker fordert für Wahlverweigerer 50 Euro Strafe.

Berlin - Es sollte die größte länderübergreifende Wahl aller Zeiten werden - und endete in einem "bitteren Abend" wie der SPD-Europaabgeordnete Martin Schulz einräumte. Die Europawahl litt unter einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung. Mit 43,55 Prozent lag sie noch einmal deutlich unter dem bisherigen Negativrekord von 45,5 Prozent aus dem Jahr 2004.

Angesichts der ernüchternden Zahlen debattiert die Politik nun über Maßnahmen, die die Wahlbeteiligung steigern sollen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble erneuerte seinen Vorschlag, künftig einen EU-Präsidenten von den Bürgern direkt wählen zu lassen. "Wenn es im Wahlkampf um einen Kopf an der Spitze Europas geht, schafft das eine klar zugespitzte Aufmerksamkeit quer durch ganz Europa", sagte der CDU-Politiker der "Bild"-Zeitung.

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Gunther Krichbaum forderte der Zeitung zufolge, über EU-weite Listen und eine Direktwahl der Parlamentarier nachzudenken. "Es sollte künftig wie bei der Bundestagswahl zwei Stimmen geben, damit die Wähler auch direkt über einen nationalen Kommissar abstimmen können", sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses.

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok schlug vor: "Die Parteien sollen europaweit mit ihrem Kandidaten für den Chefposten der EU-Kommission Wahlkampf machen, der dann von der Mehrheit des neuen Parlaments gewählt wird." In Deutschland hatten sich an der EU-Wahl 43,3 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt - gerade einmal 0,3 Punkte mehr als vor fünf Jahren.

Wahlpflicht für Deutschland?

Der SPD-Bundestagsabgeordneten Jörn Thießen will die Menschen sogar zum Wählen verpflichten. "Wir Politiker müssen im Parlament abstimmen, das kann man auch von den Wählern bei einer Wahl verlangen. Wer nicht zu einer Wahl geht, sollte 50 Euro Strafe zahlen. Demokratie ohne Demokraten funktioniert nicht", sagte Thießen ebenfalls der "Bild"-Zeitung. Als Vorbild nannte er Belgien, wo eine Wahlpflicht herrscht. Wer nicht wählen geht, muss mit einer Strafe rechnen. Entsprechend hoch ist dort die Wahlbeteiligung.

Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz forderte die Politik dazu auf, über Möglichkeiten nachzudenken, künftig per Internet die Wählerstimme abgeben zu können. "Wenn es eine sichere Übertragung gibt, sollte man darüber nachdenken", sagte er der Zeitung.

Vor allem die SPD hatte bei der Europawahl mit einem Stimmenanteil von 21 Prozent ein Debakel erlebt. Der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) macht dafür allerdings nicht nur die geringe Wahlbeteiligung verantwortlich. "Die SPD hat mit ihren wirtschaftspolitischen Argumenten nicht überzeugt", sagte Dohnanyi der "Thüringer Allgemeinen". Einerseits wolle die Partei wirtschaftlich modern und vernünftig sein, sie verwende dafür aber "alte Methoden", sagte er. Mit sich selbst und mit der Linken liege die SPD im Streit, wie weit man Sozialpolitik losgelöst vom Wettbewerb betreiben könne.

Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, erklärte das Scheitern der SPD mit einer fehlenden Strategie. "Die Operation 'Beck muss weg' war damals notwendig aber sie war noch nicht hinreichend", sagte Güllner der "Passauer Neuen Presse".

Die Ablösung von Ex-SPD-Chef Kurt Beck im September 2008 durch Franz Müntefering und die Erhebung Frank-Walter Steinmeiers zum Kanzlerkandidaten seien folgerichtig. "Steinmeier ist solide, ordentlich, redlich, als Außenminister geachtet", sagte Güllner. Die Sympathiewerte für den Außenminister übertrügen sich aber nicht automatisch auf den Kanzlerkandidaten.

amz/ddp/AP

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