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Richter beschränken Videokontrolle bei Balzac

Der Kaffehaus-Kette Balzac soll verboten werden, Kunden künftig zu filmen. Der Kaffehaus-Kette Balzac soll verboten werden, Kunden künftig zu filmen.
Die Zeiten für den Einsatz von Überwachungskameras in Unternehmen werden härter
Quelle: dpa/Arno Burgi
Das Amtsgericht Hamburg hat in seinem Urteil gegen die Kaffeehaus-Kette Balzac Coffee entschieden: Die Betreiberin darf nicht willkürlich überall Kunden per Video beoachten. Balzac wertet das Urteil dennoch als Grundlage künftiger Kontrollen. Der Anwalt des Klägers sieht das anders.

Das Amtsgericht Hamburg hat der Kaffeehaus-Kette Balzac Coffee untersagt, Kunden im Sitzbereich der Cafés gegen ihren Willen mit Videokameras zu überwachen. Sollte sich die Betreiberin widersetzen, droht dem Unternehmen laut Gericht eine Ordnungsstrafe von bis zu 250.000 Euro oder Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.


Gegen die Videokontrolle hatte ein 50-jähriger Kunde geklagt, der sich durch die fortlaufende Kontrolle beim Kaffeetrinken in seinen Perönlichkeitsrechten verletzt fühlte. Balzac hatte es außerdem versäumt, am Eingang auf die eingebauten Kameras hinzuweisen.

Dennoch interpretiert Geschäftsführerin Vanessa Kullmann das Urteil als günstig für ihr Unternehmen. „Wir haben jetzt einen unmissverständlichen Anhalt dafür, in welcher Weise Kameras in Geschäftsräumen eingesetzt werden dürfen“, erklärte Kullmann. Demnach darf Balzac künftig zwar mit Kameras den Tresen und den Kassenbereich seiner Filialen absichern. Das Abfilmen der Warenregale außerhalb dieser Bereiche sei hingegen nicht mehr zulässig, wenn sich dort Sitzgelegenheiten befänden.


Balzac betreibt 35 Kaffeehäuser in Hamburg, Hannover, Lübeck und Berlin. „Wir dürften also weiterhin Kameras zur Absicherung unserer Kassen- und Verkaufstresenbereiche einsetzen“, sagte Kullmann. Mit Rücksicht auf die Befindlichkeit der Kunden seien aber sämtliche Kameras in allen Shops demontiert worden.


„Hierin liegt der Erfolg des Verfahrens“, sagte Harry Hardt, Anwalt des Klägers, vor dem Urteil WELT ONLINE. Laut dem Juristen hatte das Amtsgericht Hamburg in der Verhandlung deutlich gemacht, dass Balzac mit der Überwachung des Kundenbereichs gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoße. Mit dem jetzt ergangenen Urteil verpflichtet sich das Kaffeehaus demnach, dies künftig zu unterlassen.


Hardt bemängelte, dass Geschäftsführerin Vanessa Kullmann die Motive für die „intensive Videoüberwachung“ im Prozess nur unzureichend beantwortet habe. Hardt zufolge hatte Balzac in den Filialen jeweils bis zu sechs Kameras eingebaut. Der Anwalt betonte, dass sein Mandant, ein früherer DDR-Bürger, der demnach besonders sensibel für diese Art der Überwachung sei, keine Zahlungen von Balzac gefordert hatte.

Demnach muss das Unternehmen lediglich die Gerichtskosten tragen. Anwalt Hardt erwartet, dass das Hamburger Urteil Schule macht. Schließlich könne keinem Bürger daran gelegen sein, „die Zustände der DDR“ in Deutschland zu etablieren: Er gehe daher davon aus, „dass durch dieses Verfahren und die Lidl-Affäre zukünftig viele Unternehmen freiwillig von der rechtswidrigen Praxis der Videoüberwachung absehen werden“.

(AG Hamburg, 4 C 134/08)

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